Abmahnfrist: Wenige Stunden reichen auch bei Internet-Veröffentlichungen nicht

Grundsätzlich muss einem Abgemahnten eine angemessene Überlegungszeit bleiben, um sich Rechtsrat einzuholen und sich über die Reaktion auf die Abmahnung klar zu werden. Das Kammergericht hat jetzt in einem Fall von Fotoveröffentlichungen durch die Presse im Internet entschieden, dass auch hier eine Abmahnfrist von nur wenigen Stunden in der Regel nicht ausreicht.


Ein großes Presseunternehmen hatte im Internet heimlich aus großer Entfernung aufgenommene Bilder veröffentlicht. Die zwei darauf zu sehenden Personen forderten das Unternehmen am 08.08.2022 um 12:53 Uhr per Fax an die Rechtsabteilung auf, bis 18:00 Uhr desselben Tages eine Unterlassungserklärung abzugeben. Die Rechtsabteilung bat – ferienbedingt – um 17.55 Uhr um Fristverlängerung bis zum nächsten Tag um 18.00 Uhr. Sie müsse den Sachverhalt erst mit der Redaktion klären.

Gleichwohl ging kurz darauf um 18.36 Uhr per beA der Eilantrag der Betroffenen beim LG Berlin ein. Dies gab dem Antrag am 10.08. statt und erlegte dem Medienunternehmen die Kosten auf. Die Abgebildeten hatten dem Gericht nicht mitgeteilt, dass sie am Tag zuvor eine für sie akzeptable Unterlassungserklärung erhalten hatten.

Abmahnfrist von nur wenigen Stunden ist unzureichend

Anders als das LG verurteilte das KG die Betroffenen dazu, die Verfahrenskosten zu tragen. Es ging von dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO aus: Gibt es keinen Anlass zur Klage, trägt der Kläger die Kosten. Im Zeitpunkt der Antragseinreichung habe dieser Anlass gefehlt: Am 08.08.2022 sei es für gerichtliche Schritte noch zu früh gewesen, da das Presseunternehmen jedenfalls bis zum Folgetag um 18.00 Uhr mit der Antwort auf die Abmahnung habe warten dürfen.

Die Berliner Richter stellten klar, dass die Frist wenigstens 29 Stunden ab dem Zugang der Abmahnung hätte betragen müssen. Auch bei Veröffentlichungen im Netz existiere kein Grundsatz, dass innerhalb weniger Stunden reagiert werden müsse. Die Frage, ob die Veröffentlichung von Lichtbildern unzulässig sei, sei schwierig und beschäftige oft über Jahre hin die Instanzen. Im Regelfall sei es daher richtig, auch einem großen, erfahrenen Presseunternehmen als angemessene Überlegungszeit mehrere Tage zur Prüfung einzuräumen.

Anderes könne bei besonders schweren Verstößen gelten. Dann sei auch eine Frist von wenigen Stunden denkbar. Einen solchen Fall sah der Senat hier aber nicht, da die Personen nicht in einer "verfänglichen" Situation abgebildet worden waren.

KG, Beschluss vom 18.07.2023 - 10 W 79/23

Redaktion beck-aktuell, 28. Juli 2023.