Trotz Urteilsaufhebung: KG bestätigt Strafbarkeit von Straßenblockaden

Wegen lückenhafter Beweiswürdigung hat das Kammergericht zwar ein Urteil des AG Berlin-Tiergarten gegen eine Studentin, die an einer Straßenblockade beteiligt war, aufgehoben, aber gleichzeitig festgehalten, dass eine Strafbarkeit grundsätzlich in Frage kommt.

Das Amtsgericht hatte festgestellt, dass sich die Aktivistin an einer Straßenblockade der Gruppierung "Aufstand der letzten Generation" beteiligt und zur Erschwerung polizeilicher Maßnahmen auf der Fahrbahn festgeklebt hatte. Die 22-jährige wurde wegen Nötigung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die Aufhebung hat der Dritte Strafsenat des KG damit begründet, dass das Urteil des Amtsgerichts keine tragfähige Grundlage für eine Überprüfung der Beweisführung biete. So fehle es im Rahmen der für eine strafbare Nötigung erforderlichen Verwerflichkeit des Handelns an einer ausreichend dargelegten Einzelfallprüfung. Bei dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte fehle es an der erforderlichen Beweiswürdigung zu der amtsgerichtlichen Feststellung, dass die Aktivistin sich zur Erschwerung der polizeilichen Maßnahmen an der Fahrbahn festgeklebt habe.

Grundsätzliche Strafbarkeit von Straßenblockaden bejaht

Zugleich mit der Aufhebung stellt der Senat jedoch klar, dass grundsätzlich eine Strafbarkeit wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB vorliegen kann, wenn sich der Täter beziehungsweise die Täterin schon vor Beginn der Vollstreckungshandlung auf der Fahrbahn mit Sekundenkleber festklebe, um damit die alsbaldige Räumung durch die Polizei zu erschweren. Das Festkleben sei in seiner physischen Wirkung einem Selbstanketten vergleichbar. Dass das Loslösen der Klebeverbindung durch die Polizei rund eine Minute gedauert habe, stelle ein gewichtiges Indiz für einen gewaltsamen Widerstand dar, so der Strafsenat.

Auch kann nach der Entscheidung des Senats eine Strafbarkeit einer solchen Straßenblockade wegen Nötigung nach § 240 StGB zu bejahen sein, wenn das Tatgericht sich in einer einzelfallbezogenen Abwägung unter anderem mit folgenden Gesichtspunkten auseinandersetzt: der Ankündigung der Blockade, der Dauer der Blockade, Art und Ausmaß der Blockade, den Motiven der/des Angeklagten, dem Zweck/Zielrichtung der Demonstration. Eine andere Abteilung des Amtsgerichts wird sich nach diesen Maßgaben nun erneut mit dem Fall befassen zu haben (Az.: 3 ORs 46/23).

Redaktion beck-aktuell, Gitta Kharraz, 22. August 2023.