IS-Rückkehrerin zu über drei Jahren Haft verurteilt

Das Kammergericht hat eine deutsche Syrien-Rückkehrerin unter anderem wegen ihrer Mitgliedschaft in der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) und grober Vernachlässigung ihrer Fürsorgepflichten gegenüber ihrer Tochter zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Tochter, die bei der Ausreise erst drei Jahre alt gewesen sei, sei durch die Erlebnisse in Syrien schwer traumatisiert.

Ausreise nach Syrien unter Mitnahme dreijähriger Tochter

Die 31-Jährige war 2009 zum Islam konvertiert. Im Dezember 2014 reiste sie gemeinsam mit ihrer damals dreijährigen Tochter nach Syrien und schloss sich dort dem IS an. Dabei hielt sie dem in Deutschland verbliebenen Kindsvater die Tochter trotz gemeinsamen Sorgerechts dauerhaft vorenthalten. In Syrien heiratete die Angeklagte nacheinander zwei IS-Kämpfer und führte diesen jeweils den Haushalt. Ihre Tochter sowie ihre zwei in Syrien geborenen Söhne erzog sie im Sinne der IS-Ideologie, wobei sie nach Ansicht des KG schwere Entwicklungsstörungen in Kauf nahm. Zumindest die Tochter wurde Zeugin von Kriegshandlungen und Bombenangriffen mit Todesopfern, was bei dieser eine schwere posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst hat. Während ihrer Zeit im IS-Gebiet bezog die Angeklagte zudem zeitweise unberechtigterweise weiterhin Sozialleistungen und Kindergeld. Darüber hinaus verfügte sie zur Eigensicherung im IS-Gebiet auch über eine Kalaschnikow. Die Angeklagte war wegen der zunehmend erschwerten Lebensbedingungen in Syrien im April 2019 – inzwischen hochschwanger mit dem vierten Kind – nach Deutschland zurückgekehrt. Im August 2020 erfolgte ihre Festnahme.

KG: Mehr als drei Jahre Haft unter anderem wegen Mitgliedschaft in Terrorvereinigung im Ausland

Das KG verurteilte die Angeklagte wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit schwerer Entziehung Minderjähriger und mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe, sowie wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. In Höhe eines Betrages von 8.233,92 Euro wurde die Einziehung von Wertersatz angeordnet. Die Angeklagte verbleibt in Untersuchungshaft.

Taten zum Nachteil der Tochter als besonders schwerwiegend gewertet

Die Taten zum Nachteil ihrer Tochter wertete der Senat im Rahmen der Strafzumessung als besonders schwerwiegend. Das Mädchen sei durch die allgemeinen Lebensumstände im Kriegsgebiet sowie die teils drastischen Erziehungsmethoden ihres ersten Stiefvaters und ihrer IS-Erzieher zutiefst traumatisiert worden. Die Angeklagte habe aus ihrer radikalislamistischen Überzeugung heraus die Augen vor den Gefahren für ihre Kinder verschlossen, weil es ihr darauf angekommen sei, auf dem Gebiet des IS zu leben und dort – entsprechend der ihr in der Ideologie des IS zugeschriebenen Rolle – als Ehefrau eines Kämpfers und Mutter künftiger Kämpfer als Teil der terroristischen Organisation ihren Beitrag zu dem von ihr erhofften Sieg des IS zu leisten, so der Vorsitzende Richter in seiner mündlichen Urteilsbegründung. Die langfristigen Folgen für das inzwischen neunjährige, in einer Pflegefamilie lebende Mädchen seien nicht absehbar, ein normales Leben derzeit nicht möglich. Zugunsten der Angeklagten wertete das KG, dass die Angeklagte sich inzwischen von ihrem extremistischen Gedankengut glaubhaft distanziert habe. Sie habe zu Beginn der Hauptverhandlung im Rahmen einer Verständigung ein Geständnis abgelegt. 

Redaktion beck-aktuell, 16. Juli 2021.