KG: Haftung für Wildunfall

ZPO §§ 286, 513 I, 522 II, 529; AKB A.2.2, A.2.2.4

Spricht die Spurenlage plausibel für einen Haarwildunfall, muss der Teilkaskoversicherer Tatsachen vortragen, aus denen sich schlüssig ergibt, dass der Unfall nicht mit einem Haarwild erfolgt ist oder sich anderswo unter anderen Bedingungen abgespielt haben muss. Dies hat das Kammergericht entschieden.

KG, Beschluss vom 05.06.2018 - 6 U 166/16 (LG Berlin), BeckRS 2018, 28895

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 24/2018 vom 06.12.2018

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Sachverhalt

Der Kläger nimmt aus einer abgeschlossenen Teilkaskoversicherung den Versicherer in Anspruch und behauptet, einen Schaden bei einem Wildunfall erlitten zu haben. Er beruft sich auf den vereinbarten Basistarif, in dem nach A.2.2.4 des Bedingungswerks auch Schäden aus einem Zusammenstoß mit Haarwild erfasst sind.

Der Versicherer moniert, dass der Kläger von einem Reh spricht, am Fahrzeug aber Haare von einem Wildschwein gefunden worden seien. Woher er zum Zeitpunkt des Unfalls kam und wohin er wollte, sei etwas nebulös. Auch stimmten seine Angaben und die eines Zeugen nicht überein.

In erster Instanz hatte der Kläger gleichwohl Erfolg mit seiner Klage. Auch mit seiner Berufung hat der Versicherer keinen Erfolg, denn diese wurde durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Rechtliche Wertung

Dem Kläger gelinge der Nachweis des Eintritts eines Versicherungsfalls schon allein durch die objektiven Umstände, entschied das KG. Er habe nach dem Unfall den Bedingungen entsprechend die Polizei benachrichtigt. Der Unfall sei von der Polizei aufgenommen worden, wenn auch nicht an der Unfallstelle, sondern im nächsten Dorf. Die Polizeibeamten hätten aber vor der Aufnahme die Unfallstelle passiert. Sie hätten das Fahrzeug besichtigt und Schäden festgestellt, die durch den geschilderten Unfall entstanden sein könnten. Auffälligkeiten seien nicht festgestellt worden. Haare hätten sie zwar nicht gefunden, aber rötliche Spuren.

Der Beklagte hat später das Fahrzeug durch einen Sachverständigen untersuchen lassen. Dieser hatte festgestellt, dass die Schäden im Frontbereich des Pkw «durch einen weichen Körper» entstanden sind. Auch hatte dieser Sachverständige einige Haare im Bereich des vorderen Stoßfängers gefunden. Der Schaden an der rechten Seite konnte er plausibel mit einem streifenden Kontakt der Leitplanke erklären.

Die Beklagte ließ die Haare untersuchen. Die Untersuchung ergab, dass sie von einem lebenden Wildschwein stammen.

Ob Reh oder Wildschwein sei gleichgültig, so das KG. Denn in beiden Fällen handele es sich um Haarwild.

Dem Versicherungsnehmer kämen hier zwar keine Beweiserleichterungen zu, wie es sie etwa bei einem Diebstahl gebe, aber die Beklagte habe ihrerseits keine Umstände vorgetragen, die dafür sprächen, dass der Unfall sich nicht mit Haarwild ereignet haben könnte.

Dass der Fahrer statt von einem Wildschwein von einem Reh gesprochen habe, könne durch den sehr kurzen Moment erklärt werden, in dem der Fahrer das Tier vor dem Unfall nur habe sehen können. Möglicherweise habe der Kläger das Tier vor dem Unfall auch gar nicht gesehen.

Nach alledem liege ein schlüssiges Spurenbild vor. Mit der erforderlichen Gewissheit sei das Gericht überzeugt von der Richtigkeit der Kernaussage des Versicherungsnehmers.

Praxishinweis

Die Entscheidung wird hier vorgestellt, weil sie sich mit der Beweislage eines Wildunfalles eingehend beschäftigt. Wenn auch das getroffene Tier nicht mehr vorgefunden werden konnte, so waren objektiv jedenfalls Spuren an der Leitplanke und am Pkw vorzufinden und dies alles in einigermaßen plausiblem zeitlichem Zusammenhang, weil der Versicherungsnehmer bedingungsgemäß umgehend die Polizei verständigt hatte.

Redaktion beck-aktuell, 11. Dezember 2018.