Tücken der Diktiersoftware?
Ein Richter am Amtsgericht Berlin-Tiergarten hatte über eine fahrlässige Geschwindigkeitsübertretung von 40 km/h zu verhandeln. Er verurteilte den Betroffenen zu einer Geldbuße von 210 Euro und einem Fahrverbot. Das Urteil, dass der Verkehrssünder dann zu lesen bekam, war nicht wirklich verständlich: So war da zum Beispiel die Rede von der "Schrittgeschwindigkeit von 70 km/h" oder von der "Hauptwarnung", was wohl Hauptverhandlung heißen sollte. Unterschrieben war das Urteil mit einer unleserlichen Paraphe. Der Betroffene legte gegen dieses Urteil die Rechtsbeschwerde zum Kammergericht ein – mit Erfolg (Az.: 3 Ws (B) 86/22, BeckRS 2022, 8702).
Richter schadet dem Ansehen der Justiz
Das Kammergericht vermutete, der Abteilungsrichter habe sein Urteil diktiert und "den in Teilen ungeordneten und wirren Text" anschließend ohne Korrekturlesen einfach unterschrieben. Erbost wies der 3. Strafsenat darauf hin, dass er den Richter deswegen schon einmal gerügt hatte – und dieser Hinweis scheinbar ungelesen blieb. Mit dieser Praxis gefährde der Richter nicht nur den Bestand des Urteils, sondern auch das Ansehen der gesamten Justiz.
Inhaltliche Fehler kamen hinzu
Der Amtsrichter hatte dem Kammergericht zufolge sein Urteil auch materiell-rechtlich unhaltbar begründet: So habe er den Umstand, dass der Fahrer die Geschwindigkeit um 40 km/h überschritten hatte, strafschärfend gewürdigt, obwohl § 1 BKatV es für die Spanne von 31 – 40 km/h unter Nr. 11.3.6 eine solche Erhöhung des Regelsatzes nicht vorsehe. Es habe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen gewürdigt, ohne zu schreiben, wie hoch denn dessen Einkommen ist. Und er habe auf einen verlesenen Arbeitsvertrag verwiesen, obwohl auf Schriftdokumente nicht verwiesen werden dürfe.