"Paternalistischer Zungenschlag": Richterin darf auf angedrohte Ablehnung reagieren

Wer einer Richterin mit einem Befangenheitsantrag droht, um durchzuboxen, dass sie auch mitgebrachte Papiere berücksichtigt, muss damit rechnen, dass zurückkommt, "er solle mal aufpassen", ob er auch im Interesse seiner Mandantschaft handelt. Das KG wies einen Befangenheitsantrag ab.

Nach dem Erlass einer einstweiligen Verfügung kam es in der Anhörung vor dem LG Berlin zu einem Schlagabtausch der besonderen Art: Nachdem die Richterin schon bei Erlass der Verfügung die Schutzschrift versehentlich nicht zur Kenntnis genommen hatte, wollte sie nun die mitgebrachten Unterlagen der Antragsgegnerin nicht erörtern, weil sie nicht elektronisch eingereicht worden waren. Das vergrätzte den Anwalt sehr und er drohte ihr an, einen Befangenheitsantrag zu stellen.

Die Richterin konterte, sie müsse sich nicht mit diesem Mittel drohen lassen, aber er "solle sich das besser mal überlegen", immerhin sei ein solcher Antrag nicht im Sinne seiner Mandantin. Der Anwalt holte weitere sieben Anlagen heraus, die die Richterin wohl annahm, ohne aber weiter auf sie einzugehen. Daraufhin folgte der Ablehnungsantrag. Das Landgericht wies den Antrag zurück. Die sofortige Beschwerde vor dem Kammergericht scheiterte ebenfalls.

"Überlegen Sie mal besser“": Überheblich, aber richtig

Ein Befangenheitsgrund nach § 42 Abs. 2 ZPO sah das KG (Beschluss vom 18.07.2024 – 7 W 29/24) nicht: Die richterliche Ansage, er solle "sich das besser mal überlegen", ob er den Antrag stelle, weil er nicht im Sinne seiner Mandantschaft sei, stößt dem 3. Senat nicht auf: Zwar enthalte sie einen "paternalistischen Zungenschlag", sei aber in der Sache richtig. Das Verfahren um die Befangenheit verzögere den Rechtsstreit und verlängere damit die Wirkung der einstweiligen Verfügung.

Das KG fand vielmehr die Drohung des Anwalts mit dem Befangenheitsantrag bedenklich, weil er damit offenbar durchsetzen wollte, dass die Richterin seine Papierausdrucke vorbehaltlos zulasse. Die Entgegnung, sie lasse nicht damit drohen, ist den Berliner Richterinnen und Richtern zufolge ein "sachorientierter Umgang mit der Rechtssache", weil sie damit deutlich mache, dass ihre Rechtsansicht nicht davon abhänge, ob ein Befangenheitsantrag im Raum stehe oder nicht.

Auch die Annahme der Papierunterlagen unter Vorbehalt einer weiteren Prüfung macht die Richterin in Augen des KG nicht befangen. Vielmehr sei es umstritten, ob Papieranlagen überhaupt berücksichtigt oder nach § 130d ZPO zurückgewiesen werden müssten. Unter diesen Umständen sei eine Diskussion darüber – und nicht über den Inhalt – nicht zu beanstanden

Mal davon abgesehen, dass die fehlende Berücksichtigung der Schutzschrift ein Verfahrensfehler war, die keine Befangenheit begründe, sei diese Rüge nach Einlassung zur Sache in der Anhörung bereits nach § 43 ZPO präkludiert. 

KG, Beschluss vom 18.07.2024 - 7 W 29/24

Redaktion beck-aktuell, rw, 17. September 2024.