Öffentlich und doch geheim: Schöffen haben keinen Anspruch auf Urteilsabschrift

Schöffen haben kein Recht darauf, nach dem Ende des Prozesses eine Abschrift des Urteils zu erhalten, meint das KG. Schließlich seien sie nach dem Ende der Verhandlung wieder Privatpersonen wie alle anderen.

Wenn das Urteil gesprochen ist, ist der Job der Schöffinnen und Schöffen beendet. Damit haben sie auch kein Recht, eine Abschrift des von ihnen mitverantworteten Urteils zu erhalten, stellt das KG klar. Anderes gelte nur bei einem besonderen Interesse (Beschluss vom 21.06.2024 – 3 Ws 25/24). 

Hintergrund ist ein im Dezember 2023 abgeschlossenes Strafverfahren vor dem LG Berlin I. Ein beteiligter Schöffe hatte hier nach der Urteilsverkündung eine anonymisierte Abschrift des Urteils beantragt und vom Kammervorsitzenden eine Absage erhalten. In der Auffassung, öffentliche Rechtsprechung sei nicht geheim, legte er hiergegen Beschwerde zum KG ein.

Der Kammervorsitzende hatte sich in seiner Verfügung auf § 475 StPO berufen. Nach dieser Vorschrift können Privatpersonen und sonstige Stellen über ihre Anwältin oder ihren Anwalt bei Gericht Auskünfte und Akteneinsicht erhalten – allerdings nur dann, wenn sie ein "berechtigtes Interesse" vorweisen. Der Schöffe habe ein solches Interesse nicht gehabt. Dieser wiederum vertrat die Ansicht, dass § 475 StPO von vornherein nicht auf ihn anwendbar gewesen sei.

Nach Verkündung werden Schöffen zur Privatperson

Das warf für das KG die Frage auf, ob Schöffinnen und Schöffen aufgrund ihres Amtes wie ein Richter oder eine Richterin eine Abschrift verlangen können, oder nicht doch wie eine Privatperson auf § 475 StPO angewiesen sind. Laut dem KG ist Letzteres der Fall. Denn nach der StPO übten Schöffinnen und Schöffen ihr Amt "während der Hauptverhandlung" aus. Mit der Verkündung des Urteils – und damit dem Ende der Hauptverhandlung – ende das Schöffenamt. Ab diesem Zeitpunkt seien sie wieder als Privatpersonen anzusehen und könnten gerade keine richterlichen Rechte mehr ableiten. 

Werde ein Urteil zunächst unvollständig verkündet und erst später mit ausführlicher Begründung zu den Akten gebracht, verlege sich das Ende des Schöffenamtes auch nicht etwa entsprechend nach hinten. Ein etwaiger Antrag auf Übersendung einer Abschrift falle damit immer automatisch in den Zeitraum nach Beendigung des Schöffenamtes.

Kein berechtigtes Interesse

Das für § 475 StPO erforderliche berechtigte Interesse habe der Schöffe nicht dargelegt, stellte das KG fest. Dass das beantragte Urteil anonymisiert sein sollte, sei hierfür unbeachtlich.

Zuletzt bezog das Gericht Stellung zu einem Informationsblatt der Deutschen Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen, laut dem ehrenamtliche Richterinnen und Richter Urteile auf Antrag grundsätzlich anonymisiert zugeschickt bekämen. Für einen solchen Anspruch fehle es – jedenfalls im Strafprozess – aber an einer rechtlichen Grundlage, meinte der Senat. Das Informationsblatt sei daher gar geeignet, "eine gedeihliche Zusammenarbeit von Berufs- und Laienrichtern unnötig zu erschweren". 

Aus dem Beschluss lässt sich nur ableiten, dass Schöffinnen und Schöffen keinen grundsätzlichen Anspruch auf eine anonymisierte Abschrift haben. Unter welchen Umständen ein berechtigtes Interesse bestehen kann, stellte das Gericht hingegen nicht allgemein fest. Auch zur zweiten Voraussetzung des § 475 StPO – dem fehlenden schutzwürdigen Interesse des Betroffenen – musste es keine Stellung beziehen.

KG, Beschluss vom 21.06.2024 - 3 Ws 25/24

Redaktion beck-aktuell, tbh, 26. März 2025.

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