Keine verdachtsunabhängigen Ausweiskontrollen auf St. Pauli

§ 4 Abs. 1 Nr. 2a des Hamburger Polizeidatenverarbeitungsgesetzes a. F. (nun § 13 Abs. 1 Nr. 2a PolDVG) ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass er keine völlig anlasslose Kontrolle jeglicher Personen ermöglicht, die sich an einem "gefährlichen Ort" im Sinne der Vorschrift aufhalten. Vielmehr müssten auch insoweit gewisse Anhaltspunkte für einen Bezug der kontrollierten Person zur entsprechenden Gefahr vorliegen, hebt das Verwaltungsgericht Hamburg hervor. 

Identitätsfeststellungen jeweils rechtswidrig

Der Kläger, ein aus Togo stammender Anwohner der St. Pauli Hafenstraße, hatte ursprünglich die Feststellung begehrt, dass vier gegen ihn gerichtete polizeiliche Identitätsfeststellungen, die sich zwischen November 2016 und April 2018 im Hamburger Stadtteil St. Pauli ereignet hatten, rechtswidrig gewesen seien. Zwischenzeitlich hat die beklagte Freie und Hansestadt Hamburg in einem Fall die Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung anerkannt; in einem weiteren Fall hat der Kläger seine Klage zurückgenommen. In Bezug auf die zwei verbleibenden Fälle hat das VG nun geurteilt, dass die Identitätsfeststellungen jeweils rechtswidrig waren.

Gesetzliche Voraussetzungen lagen nicht vor

In beiden Fällen hätten die Voraussetzungen einer Identitätsfeststellung nach dem PolDVG in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung vom 21.12.2016 nicht vorgelegen. Insbesondere die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2a PolDVG a. F. (nun § 13 Abs. 1 Nr. 2a PolDVG) sah das VG als nicht erfüllt an. Die Beklagte hatte sich darauf berufen, dass die Identitätsfeststellungen in jenem Teil des Reviers des Polizeikommissariats 15 ("Davidwache") erfolgt seien, der nach Einschätzung der Polizei Hamburg ein "gefährlichen Ort" im Sinne dieser Vorschrift sei, da es dort vermehrt zu Betäubungsmitteldelikten komme. Nach Ansicht des VG ist die Vorschrift jedoch verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass sie keine völlig anlasslose Kontrolle jeglicher an einem solchen Ort angetroffener Personen ermöglicht. Vielmehr müssten auch insoweit gewisse Anhaltspunkte für einen Bezug der kontrollierten Person zur entsprechenden Gefahr – hier also der Betäubungsmittelkriminalität – vorliegen. Dies konnte zur Überzeugung des VG nicht festgestellt werden, weshalb die Entscheidung zulasten der insoweit beweisbelasteten Beklagten ausgefallen sei.

Über Diskriminierung wegen Hautfarbe nicht zu entscheiden

Vor diesem Hintergrund musste das VG eigenen Angaben zufolge nicht über die Frage entscheiden, ob die beiden Identitätsfeststellungen – wie vom Kläger geltend gemacht – auch deshalb rechtswidrig gewesen sind, weil die handelnden Polizeibeamten ihre Entscheidung zumindest auch von der Hautfarbe des Klägers abhängig gemacht hätten. Gegen die Entscheidung kann die Beklagte die vom VG zugelassene Berufung zum Hamburgischen Oberverwaltungsgericht einlegen.

VG Hamburg, Urteil vom 11.11.2020 - 20 K 1515/17

Redaktion beck-aktuell, 11. November 2020.