Keine Streitwerterhöhung durch vorprozessuale Anwaltsgebühren

Vorgerichtliche Anwaltskosten erhöhen den Beschwerdewert nicht, wenn sie zusammen mit der Hauptforderung geltend gemacht werden. Soweit die Forderung nicht Gegenstand der Klage ist, werden die anteiligen Kosten beim Streitwert berücksichtigt. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 07.07.2020 entschieden.

Nebenforderung erhöht Streitwert nicht

Ein Mann verlangte nach einem Verkehrsunfall die Zahlung von 527 Euro für einen Sachschaden sowie von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten von 202 Euro. Zuvor hatte die Haftpflichtversicherung bereits die andere Hälfte des gesamten Schadens von 1.054 Euro reguliert. Vor dem AG Cham und dem LG Regensburg scheiterte seine Zahlungsklage. Das Landgericht verwarf seine Berufung wegen zu geringen Streitwerts als unzulässig. Seine erste Rechtsbeschwerde zum BGH war erfolgreich. Der BGH verwies die Sache mangels nachvollziehbarer Sachverhaltsdarstellung zurück. Seine Berufung hatte gleichwohl vor dem LG Regensburg erneut keinen Erfolg. Es setzte den Streitwert auf 582 Euro fest: Damit werde der Rechtsmittelwert nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erreicht. Bei vorgerichtlich anfallenden Anwaltsgebühren handele es sich um eine Nebenforderung gemäß § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO, die den Streitwert nicht erhöhten, so die Begründung.

BGH: Wert nicht zu gering bemessen

Die zweite Beschwerde zum BGH führte nicht zum Ziel. Aus Sicht der Karlsruher Richter hat das LG Regensburg den Zuschlag vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten zum Streitwert richtig bemessen. Es habe zutreffend angenommen, dass lediglich die auf die freiwillige Teilzahlung der Versicherung anfallenden Kosten dem Wert zugeschlagen werden müssten. Nur insoweit handele es sich nicht um eine Nebenforderung - ohne Hauptforderung gebe es keine Nebenforderung.  Erforderlich sei eine Differenzrechnung: Von den Rechtsanwaltsgebühren aus der Gesamtforderung (hier aus 1.054 Euro) müssten die Gebühren aus dem eingeklagten Betrag (527 Euro) abgezogen werden. Bei einer Teilerledigungserklärung sei eine solche Differenzrechnung ebenfalls hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten durchzuführen. Es sei nicht ersichtlich, warum die Wertermittlung bei teilweisem Erlöschen der (Haupt-)Forderung vor Klageerhebung anders erfolgen sollte als nach Klageerhebung und anschließender Teilerledigungserklärung. Die mögliche Auswirkung, dass "sich der Wert im Laufe des Verfahrens beliebig durch Klageerweiterungen oder -rücknahmen ändern könnte", sei auch kein "unerträgliches Ergebnis" der Differenzberechnung. Vielmehr ist es aus Sicht des Senats nicht ungewöhnlich, dass sich der Beschwerde- und Streitwert im Lauf des Verfahrens ändern.

BGH, Beschluss vom 07.07.2020 - VI ZB 66/19

Redaktion beck-aktuell, 5. August 2020.