Keine Haftung der Bundesrepublik im Dieselskandal
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Dem Erwerber eines mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs stehen keine Amtshaftungsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen einer möglicherweise unzureichenden Umsetzung von Europarecht zu. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden. Denn die einschlägigen EU-Vorschriften schützten den Käufer nicht vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrags.

Kfz-Käufer fordert von Bundesrepublik Schadensersatz

Der Kläger erwarb am 12.09.2014 für 35.440 Euro einen gebrauchten Audi A4 mit einem Kilometerstand von 11.303. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet, der eine unzulässige Abschaltvorrichtung enthält. Der Kläger wirft der beklagten Bundesrepublik vor, das Kraftfahrbundesamt habe für den hier in Rede stehenden Fahrzeugtyp eine fehlerhafte Typgenehmigung erteilt und Art. 46 der Typgenehmigungsverfahrensrichtlinie (RL 46/2007/EG) sei unzureichend umgesetzt sowie kein ausreichendes Sanktionssystem erlassen worden. Durch diese Pflichtverletzungen sei er zum Abschluss des Kaufvertrags gebracht worden, den er sonst nicht geschlossen hätte. Die Beklagte sei ihm daher zu Schadenersatz verpflichtet. Das Landgericht wies die auf Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten gerichtete Klage ab. Die Berufung des Klägers, mit der er hilfsweise Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs und Zahlung einer Nutzungsentschädigung begehrte, blieb ohne Erfolg.

BGH: Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung

Der BGH hat die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Insbesondere weise die Sache keine grundsätzliche Bedeutung deshalb auf, weil ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu der Frage gerichtet werden müsste, ob beziehungsweise inwieweit die hier relevanten Normen der RL 2007/46/EG und der Verordnung 715/2007/EG über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (Verordnung 715/2007/EG) den Zweck haben, dass die Typgenehmigungsbehörden die Käufer von Fahrzeugen vor Rechtsverstößen der Hersteller zu schützen.

EU-Vorschriften sollen nicht vor Abschluss ungewollten Vertrages schützen

Diese Normen schützten zwar Interessen der Verbraucher, sie bezweckten jedoch nicht den Schutz vor den vom Kläger geltend gemachten Schäden, betont der BGH. Drittschützende Wirkung hätten sie nur im Hinblick auf das Interesse der Erwerber, dass ein erworbenes Fahrzeug zur Nutzung im Straßenverkehr zugelassen wird und dass diese Nutzung nicht aufgrund mangelnder Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ beziehungsweise den für diesen Typ geltenden Rechtsvorschriften untersagt wird. Die Verletzung dieses Interesses mache der Kläger jedoch nicht geltend. Sein Fahrzeug sei zugelassen und die Betriebserlaubnis sei nicht wieder entzogen worden. Vielmehr mache der Kläger als verletztes Schutzgut sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht und damit den Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrags geltend. Diese Interessen würden vom Schutzzweck der Richtlinie 2007/46/EG und der Verordnung 715/2007/EG jedoch nicht erfasst.

III. Zivilsenat folgt Rechtsprechung anderer Senate – EuGH-Vorlage nicht erforderlich

Der III. Zivilsenat hat sich eigenen Angaben zufolge insoweit den Ausführungen des VI. Zivilsenats in seinen Urteilen vom 25.05.2020 (NJW 2020, 1962) und vom 30.07.2020 (NJW 2020, 2798), die auch der VII. Zivilsenat teilt (BeckRS 2021, 28860), angeschlossen. Aus dem Umstand, dass die vorzitierten Entscheidungen Ansprüche gegen die Fahrzeughersteller betroffen hätten, während im vorliegenden Fall ein Verstoß des Kraftfahrtbundesamts gegen die vorgenannten Regelwerke geltend gemacht werde, folgt aus seiner Sicht nichts Abweichendes. Es spreche nichts dafür, dass diese Pflichten der Genehmigungsbehörden gegenüber dem geschützten Personenkreis einen weitergehenden oder anderen Inhalt hätten als die Pflichten der Hersteller. Im Gegenteil würden die Behörden in erster Linie im öffentlichen Interesse tätig und seien von dem – vom Kläger geltend gemachten – Abschluss eines (unerwünschten) Vertrags sachlich weiter entfernt als der Fahrzeughersteller. Da diese Schlussfolgerungen auf der Hand lägen und zudem durch eine Erst-recht-Wertung gestützt würden, habe es nach Maßgabe der acte-clair-Doktrin keiner Vorlage an den EuGH bedurft.

BGH, Beschluss vom 10.02.2022 - III ZR 87/21

Redaktion beck-aktuell, 17. März 2022.