Keine Befreiung von Präsenzunterricht für Berufsschülerinnen

Zwei Berufsschülerinnen sind beim Verwaltungsgericht Gießen mit ihrem Eilantrag unterlegen, sie bis zu den Sommerferien vom Präsenzunterricht an ihrer Berufsschule im Wetteraukreis zu befreien. Die Corona-Schutzmaßnahmen seien ausreichend, um das Risiko einer Ansteckung grundsätzlich auf ein vertretbares und zumutbares Maß zu begrenzen, entschied das Gericht mit noch nicht rechtskräftigem Beschluss vom 16.06.2020.

Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt?

Die beiden Schülerinnen hatten geltend gemacht, die Teilnahme an dem seit dem 25.05.2020 wieder einmal wöchentlich durchgeführten Präsenzunterricht sei ihnen nicht zumutbar und verletze ihr verfassungsrechtlich geschütztes Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG). Die Zweite Hessische Corona-Verordnung sei keine ausreichende gesetzliche Grundlage für den Grundrechtseingriff. Außerdem unterlägen sie als Auszubildende zu medizinischen Fachangestellten außerhalb der Berufsschule schon einem erhöhten Risiko, mit an Covid-19 erkrankten Personen in Kontakt zu kommen. Die Antragstellerinnen befürchteten, dass die von der Schulleitung selbst gerügte mangelhafte Disziplin anderer Schüler dazu führe, dass die Hygieneregeln nicht eingehalten werden könnten.

Eilantrag unter Verweis auf allgemeine Schulpflicht abgelehnt

Das VG Gießen hat den Eilantrag der Schülerinnen abgelehnt, da die beiden Antragstellerinnen nicht zu dem in der Verordnung genannten Personenkreis gehörten, der von Präsenzpflicht ausgenommenen sei. Die Schulpflicht ergebe sich aus dem hessischen Schulgesetz und sei vom hessischen Verordnungsgeber nur für bestimmte Personenkreise und unter den in der Corona-Verordnung bestimmten Auflagen ausgesetzt. Zu einer weitergehenden Regelung, wie sie die Antragstellerinnen fordern, sei der hessische Gesetzgeber nicht verpflichtet.

Infektionsschutzgesetz ausreichende Gesetzesgrundlage

Der Gesetzgeber komme insbesondere mit den Regelungen der Corona-Verordnung seiner Pflicht zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Schüler ausreichend nach. Insbesondere stelle die auf dem Infektionsschutzgesetz beruhende Verordnung eine ausreichende gesetzliche Grundlage dar. 

Vorgesehene Schutzmaßnahmen ausreichend

Die in der Verordnung vorgesehenen Schutzmaßnahmen (Mindestabstand, Gruppengröße, Beachtung der Hygieneregeln des RKI) stellten zusammen mit dem vom Kultusministerium erstellten "Hygieneplan-Corona" geeignete und ausreichende Schutzmaßnahmen dar, um das Risiko einer Ansteckung grundsätzlich auf ein vertretbares und zumutbares Maß zu begrenzen, so das VG.

Aktuelles Infektionsgeschehen überschaubar

Insbesondere biete das derzeitige Infektionsgeschehen keine Anhaltspunkte dafür, dass mit dem so gestalteten Präsenzunterricht ein unzumutbares Gesundheitsrisiko verbunden sei. Der Wetteraukreis verzeichne derzeit keine Neuinfektionen und die Schule sei im Übrigen gewillt, die Einhaltung der Hygienemaßnahmen durch geeignete Maßnahmen durchzusetzen, stellt das Gericht klar.

Ausbildung vorteilhaft für Umgang mit Hygieneregelungen

Als Auszubildende im Ausbildungsberuf der medizinischen Fachangestellten sei außerdem davon auszugehen, so das VG, dass die Antragstellerinnen durch ihre Praxiserfahrung besonders verantwortungsvoll im Umgang mit den Hygieneregelungen agieren könnten.

VG Gießen, Beschluss vom 16.06.2020 - 7 L 2117/20

Redaktion beck-aktuell, 17. Juni 2020.