Kein beA ans Finanzamt
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Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen dürfen Finanzämter nicht über das beA anschreiben. Das sieht der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor. Aus der Anwaltschaft erhebt sich ein Proteststurm.

Jahressteuergesetze kommen – wie schon der Namen sagt – alljährlich heraus. Sie sind ein schier unendliches Sammelsurium an Aufräumarbeiten und Detailreformen in den unterschiedlichsten Steuergesetzen, die zu unwichtig sind, um gleich ein eigenes Gesetz auf die Beine zu stellen (wie 1902 die zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführte Schaumweinsteuer) oder wenigstens eine Novelle zu rechtfertigen. Der diesjährige Entwurf aus dem Lindner-Ministerium in der Berliner Wilhelmstraße – einem Monumentalgebäude, in dem bis 1945 das Reichsluftfahrtministerium von Hermann Göring saß – umfasst 243 Seiten. Dazu gehören Winzigkeiten wie etwa Änderungen des Reisesicherungsfonds- oder des Biersteuergesetzes. Aber auch ein kleiner Knaller, der die Anwaltschaft auf die Palme bringt: ein Verbot, über ihr beA Nachrichten an die Finanzbehörden zu schicken.

Die Begründung aus dem Ministerium: "Bevorzugter und seit Jahren erprobter elektronischer Kommunikationskanal zwischen Steuerpflichtigen oder ihren Bevollmächtigten und den Finanzämtern sind das Verfahren ELSTER bzw. die Schnittstelle ERiC." (ERiC steht für "Elster Rich Client".) Dieser Kommunikationskanal gewährleiste für den Absender eine schnelle und ressourcenschonende Bearbeitung seines Anliegens und genüge auch den Anforderungen des § 87a Absatz 6 AO, da es den Datenübermittler authentifiziere und die Vertraulichkeit sowie Integrität des Datensatzes gewährleiste. Zudem: Bei Nutzung jener beiden Wege werde durch die "automatisierte steuernummerngenaue Zuordnung auf Empfängerseite" die zuständige Bearbeiterin bzw. der zuständige Bearbeiter medienbruchfrei erreicht: "Dies stellt eine schnellstmögliche Verarbeitung innerhalb der finanzamtsinternen IT-Fachverfahren sicher." Und schließlich: "Auf andere Weise (sei es durch einfache unverschlüsselte E-Mail, durch Übermittlung mit qualifizierter elektronischer Signatur oder von einem besonderen elektronischen Anwalts- oder Steuerberaterpostfach an das besondere elektronische Behördenpostfach) elektronisch übermittelte 'sonstige' Dokumente beeinträchtigen das steuerliche Massenverfahren erheblich."

Zu berücksichtigen sei auch, dass die Nutzung der besonderen elektronischen Behördenpostfächer ausschließlich für die elektronische Kommunikation in gerichtlichen Verfahren eingeführt wurde und deshalb in den Finanzbehörden nur wenige Mitarbeiter dieses Verfahren nutzen könnten und sollten. Das Fazit der Entwurfsverfasser: "Angesichts der gegenwärtig überdurchschnittlich hohen Belastungen der Finanzverwaltung muss die elektronische Übermittlung von Schriftsätzen an Finanzbehörden deshalb – außerhalb der im Besteuerungsverfahren immer seltener anzutreffenden Fälle des § 87a Absatz 3 AO (Ersetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform durch die elektronische Form) sowie außerhalb gerichtlicher Verfahren – durch Übermittlung mit qualifizierter elektronischer Signatur oder von einem besonderen elektronischen Anwalts- oder Steuerberaterpostfach an das besondere elektronische Behördenpostfach gesetzlich ausgeschlossen werden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist."

Anwalt: "Da bleibe ich sprachlos zurück"

Das stößt vielen Anwälten sauer auf. Ein einziger Post dazu von Markus Wollweber aus der Steuerkanzlei Streck Mack Schwedhelm auf dem Business-Netzwerk LinkedIn zog dort bisher 119 Kommentare nach sich. "Man kann es sich nicht ausdenken", wettert Wollweber: "Nachdem den Anwältinnen und Anwälten (...) die aktive Nutzungspflicht für das beA in der Kommunikation mit allen Gerichten gesetzlich aufoktroyiert wurde und die Implementierung von beA hohe zeitliche und finanzielle Ressourcen sowohl auf Ebene der Kammern als auch in der Anwaltschaft in Anspruch genommen hat, möchte der Fiskus nunmehr – per Gesetz – jegliche Kommunikation mit dem Finanzamt über beA unterbinden." Und fragt rhetorisch: "Stimmt nicht, fragen Sie jetzt vielleicht ungläubig? Leider doch: der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 ist bereits auf den Weg gebracht und hängt derzeit im Gesetzgebungsverfahren."

Anwälte sollten also gesetzlich gezwungen sein, das beA gegenüber Gerichten einzusetzen, deren Nutzung dann gegenüber Finanzbehörden untersagt ist. Stattdessen solle hier ein zweiter Kommunikationsweg, Elster genutzt werden. Das heiße: neue Schnittstellen in genutzter Software, neue Programme, weitere Implementierungskosten, neue Weisungen und Schulungen der Sekretariate usw. Der bittere Schluss: "Da bleibe ich sprachlos zurück: Wie soll ich das bloß meinen Kollegen aus dem europäischen Ausland erklären?"

Aber auch etwa Henning Müller, Direktor des SG Darmstadt, antwortet in dem sozialen Netzwerk, er halte das für "keine gute Idee des BMF". Rechtsanwalt Martin Saager verweist dort auf das elektronische Bürger- und Organisationspostfach: "Bedeutet aber doch auch, dass ich als Bürger mein eBO nicht für die Kommunikation mit dem Finanzamt verwenden darf, sondern ELSTER nehmen muss? eBO soll doch gerade die Kommunikationswege vereinheitlichen und vereinfachen, oder?" Und Rechtsanwalt Christoph Pallath berichtet von seiner Erfahrung mit einem Finanzamt in Bayern: "Auf meine Rückfrage wurde mir mitgeteilt, dass der Geschäftsstelle gar nicht bekannt war, dass es einen beA-Zugang gab. So habe man das Schreiben nie abgerufen. Ich musste es anschließend per Post übersenden. Zumindest gab es keine Verspätungsrüge." BFH-Richter Matthias Loose ergänzt: "Eine einheitliche Schnittstelle wäre natürlich erstrebenswert. Ich bin froh, dass die Kommunikation mit den Gerichten mittlerweile rein elektronisch läuft – übrigens auch mit der Finanzverwaltung, die dafür auch die entsprechenden Schnittstellen nutzen muss. Ein Weg wäre also vorhanden."

BRAK: Unverständlich

Die BRAK hat ein Schreiben ihres Präsidenten Ulrich Wessels in die Wilhelmstraße geschickt. Darin heißt es: "Die Bundesrechtsanwaltskammer widerspricht der Einführung dieser Beschränkung der Kommunikation mit der Finanzverwaltung auf das Verfahren ELSTER oder über dessen ERiC-Schnittstelle." Eine solche Beschränkung und der daraus folgende Ausschluss der elektronischen Kommunikation über die Infrastruktur des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (EGVP) widersprächen der Idee eines einheitlichen elektronischen Rechtsverkehrs auf Basis des OSCI-Protokollstandards. Das sei der Übermittlungsstandard, den die Koordinierungsstelle für IT-Standards im Auftrag des IT-Planungsrats für den Bereich des E-Governments betreibt. "Es ist daher nicht verständlich, dass die Steuerverwaltung als Teil der öffentlichen Verwaltung diesen Standard als Kommunikationsweg ablehnt." Überdies regele § 6 Abs. 2 Nr. 2 Elektronischer-Rechtsverkehrs-Verordnung (ERVV) ausdrücklich, dass das besondere elektronische Behördenpostfach für andere Inhaber von besonderen elektronischen Postfächern adressierbar sein müsse. "Eine Beschränkung auf gerichtliche Verfahren sieht diese Vorschrift gerade nicht vor."

Dass die Kommunikation über die Struktur des EGVP nun einseitig eingeschränkt und für die Kommunikation mit der Finanzverwaltung auf eine andere Lösung verwiesen werde, stoße bei der Kammer auf Unverständnis. Mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach auf Seiten der Anwaltschaft und dem besonderen elektronischen Behördenpostfach auf Seiten der Steuerverwaltung besteht der Stellungnahme zufolge ein elektronischer Übermittlungsweg, der den Anforderungen des § 87a Abs. 1 AO entspreche. "Es ist Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die zur Nutzung des beA gesetzlich verpflichtet sind, nicht zuzumuten, einen weiteren Kommunikationsweg mit der Steuerverwaltung einzurichten." Insbesondere scheine es nicht gerechtfertigt, mit dem Argument der hohen Belastung den Aufwand auf Seiten der Verwaltung auf die Anwaltschaft zu verlagern, die ihrerseits ihrer gesetzlichen Pflicht zur Einrichtung eines sicheren elektronischen Übermittlungswegs bereits mit der Einrichtung des beA nachgekommen sei. Auch mit allen anderen Behörden, die ebenfalls eine hohe Belastung beklagen könnten, sei die Kommunikation über die EGVP-Infrastruktur möglich und zulässig. Und schließlich weist die Selbstveraltungsinstitution darauf hin, dass die von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten genutzte besondere Software für Anwaltskanzleien in der Regel keine Einbindung der ELSTER-Schnittstelle vorsehe.

Sogar Steuerberater schimpfen

Und selbst der Deutsche Steuerberaterverband ist unzufrieden. Die Kommunikation seitens der Steuerpflichtigen oder deren Bevollmächtigten mit der Finanzverwaltung erfolge bereits heute häufig über ELSTER bzw. ERiC, ruft die Beraterlobby in Erinnerung. Allerdings existierten für diese Art der Datenübermittlung technische Begrenzungen, beispielsweise die Einschränkung auf maximal 100 Seiten je PDF und 20 PDF-Dokumente. "In der Praxis ist es jedoch nicht unüblich, längere Schriftsätze oder weitere Unterlagen zu übermitteln, welche in Anzahl und Länge über diese Begrenzungen hinausgehen." Daher brauche es die Möglichkeit, diese Daten weiterhin unkompliziert den Finanzbehörden zur Verfügung zu stellen. "Es darf nicht so sein, dass die Finanzverwaltung ihre Kenntnis von steuerrelevanten Tatbeständen quasi verweigern kann, wenn deren Umfang die technischen Begrenzungen überschreitet."

Überdies zeigen die Praxiserfahrungen aus Sicht des DStV, dass auch die Kommunikation seitens der Finanzbehörden mit den Steuerpflichtigen oder deren Bevollmächtigten zunehmend elektronisch abgewickelt werden sollte. Denn allzu oft würden Anforderungen und Nachfragen im Rahmen des Veranlagungsverfahrens durch die Finanzbehörden schriftlich per Brief gestellt. "Dies erfordert in vielen Kanzleien dann zunächst eine eigenständige Digitalisierung dieser Schreiben, bevor die Anfragen dann mit den Steuerpflichtigen besprochen und im Anschluss daran bearbeitet werden können." Das Petitum: "Aus Sicht des DStV sollte klargestellt werden, dass eine alternative elektronische Kommunikation in jedem Fall dann erfolgen darf, wenn das zur Verfügung stehende sichere elektronische Verfahren aufgrund technischer Begrenzungen für die Übermittlung der Daten nicht ausreichend ist."

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 4. Juni 2024.