Mit Amts­au­to­ri­tät be­schimpft? - AfD klagt gegen See­ho­fer

Die Haupt­per­son fehlt. Als das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt am 11.02.2020 über eine Klage der AfD gegen Horst See­ho­fer (CSU) ver­han­delt (Az. 2 BvE 1/19), lässt sich der Bun­des­in­nen­mi­nis­ter durch sei­nen Par­la­men­ta­ri­schen Staats­se­kre­tär Gün­ter Krings ver­tre­ten. Über die Grün­de kann man nur spe­ku­lie­ren. Fest steht: Für an­de­re Res­sort­chefs haben ähn­li­che Ver­fah­ren in Karls­ru­he schon eine un­er­freu­li­che Ent­wick­lung ge­nom­men. Und auch dies­mal sieht es nicht allzu gut aus. Aber von An­fang an.

AfD warf Stein­mei­er Wer­bung für “links­ra­di­ka­le Gro­ß­ver­an­stal­tung“ vor

Im Sep­tem­ber 2018 gibt See­ho­fer, da­mals auch noch CSU-Chef, der Deut­schen Pres­se-Agen­tur ein In­ter­view. Am Tag der Ver­öf­fent­li­chung stellt das Mi­nis­te­ri­um das Ge­spräch auch auf seine Home­page, zu an­de­ren Me­di­en­be­rich­ten. Es geht um die Schwie­rig­kei­ten in der gro­ßen Ko­ali­ti­on, die Flücht­lings­po­li­tik. Die Rede kommt auch auf die AfD. Die Re­pu­blik steht da­mals unter dem Ein­druck der rech­ten Auf­mär­sche von Chem­nitz. Bei einem Kon­zert gegen Ras­sis­mus ist die Links­punk­band Feine Sahne Fisch­fi­let auf­ge­tre­ten, die auch Ge­walt gegen Po­li­zis­ten be­singt. Die AfD wirft Bun­des­prä­si­dent Frank-Wal­ter Stein­mei­er des­halb vor, "für eine links­ra­di­ka­le Gro­ß­ver­an­stal­tung" ge­wor­ben zu haben. Kurz vor dem In­ter­view mit See­ho­fer hat sie ver­sucht, den Haus­halt des Bun­des­prä­si­den­ten im Bun­des­tag dis­ku­tie­ren zu las­sen.

AfD klagt gegen "Be­schimp­fung" auf Mi­nis­te­ri­ums­web­sei­te

"Das ist für un­se­ren Staat hoch­ge­fähr­lich", sagt See­ho­fer dazu in einer Äu­ße­rung auf der Web­sei­te sei­nes Mi­nis­te­ri­ums. Man könne nicht "wie auf dem Jahr­markt den Bun­des­prä­si­den­ten ab­kan­zeln". Das sei staats­zer­set­zend. Und: "Die stel­len sich gegen die­sen Staat. Da kön­nen sie tau­send Mal sagen, sie sind De­mo­kra­ten." Eine skan­da­lö­se Äu­ße­rung, fin­det die AfD - und klagt in Karls­ru­he. See­ho­fer habe sich eben nicht im Bier­zelt einen Aus­rut­scher ge­leis­tet, sagt Frak­ti­ons­chef Alex­an­der Gau­land am Rande der Ver­hand­lung. "Wenn ich auf der In­ter­net­sei­te eines Mi­nis­te­ri­ums etwas ver­öf­fent­li­che, dann sieht es so aus, als ob es die staat­li­che Amts­au­to­ri­tät ist und dass die Be­schimp­fung der AfD dann so­zu­sa­gen schon Teil des Staa­tes ist. Und genau das geht nicht."

See­ho­fer hält Aus­sa­gen für le­gi­tim

See­ho­fer hält die Ver­tei­di­gung des Bun­des­prä­si­den­ten für le­gi­tim. "Der Ton ist deut­lich rauer ge­wor­den", sagt sein Staats­se­kre­tär Krings. Auf der Home­page woll­ten sich die Bür­ger über die Po­li­tik des Mi­nis­te­ri­ums in­for­mie­ren, aber auch über die Per­son des Mi­nis­ters. Hal­tun­gen zu all­ge­mei­nen po­li­ti­schen Fra­gen ge­hör­ten dazu.

BVerfG be­schäf­tig­te sich schon in der Ver­gan­gen­heit mit Po­li­ti­ker­aus­sa­gen

Aber wie si­cher kann sich See­ho­fer füh­len? Wo ver­läuft die rote Linie? Das Ver­fas­sungs­ge­richt hat dazu in jün­ge­rer Zeit gleich drei Ur­tei­le ge­spro­chen, aus denen sich ei­ni­ges ab­lei­ten lässt: Im Bun­des­tags­wahl­kampf 2013 dis­ku­tiert Bun­des­prä­si­dent Joa­chim Gauck mit Ber­li­ner Be­rufs­schü­lern über Pro­tes­te gegen ein Flücht­lings­heim und nennt die An­hän­ger der rechts­ex­tre­men NPD "Spin­ner". Geht das? Ja, ent­schied das BVerfG. Denn der Bun­des­prä­si­dent, der als Re­prä­sen­tant von Staat und Volk über dem Par­tei­en-Wett­be­werb stehe, sei in Amts­füh­rung und Wort­wahl sehr frei. An­greif­bar mache er sich höchs­tens, wenn er aus­fäl­lig werde oder will­kür­lich Par­tei er­grei­fe.

Ab­gren­zung: Amts­au­to­ri­tät oder Pri­vat­mei­nung?

2014 sagt Bun­des­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rin Ma­nue­la Schwe­sig (SPD) vor der Thü­rin­ger Land­tags­wahl einer Zei­tung: "Ziel Num­mer 1 muss sein, dass die NPD nicht in den Land­tag kommt." Sie helfe mit, alles dafür zu tun. Geht das? Ge­ra­de noch so. An­ders als der Bun­des­prä­si­dent seien Re­gie­rungs­mit­glie­der in amt­li­cher Funk­ti­on zu strik­ter Neu­tra­li­tät ver­pflich­tet. Als Par­tei­po­li­ti­ker dürf­ten sie aber am Mei­nungs­kampf teil­neh­men. Im In­ter­view könne ein Mi­nis­ter beide Rol­len ein­neh­men, mei­nen die Rich­ter. Schwe­sig habe nicht mit Amts­au­to­ri­tät ge­spro­chen. In der Flücht­lings­kri­se kon­tert Bil­dungs­mi­nis­te­rin Jo­han­na Wanka (CDU) 2015 einen De­mons­tra­ti­ons­auf­ruf der AfD mit der Pa­ro­le "Rote Karte für Mer­kel!" per Pres­se­mit­tei­lung: "Die Rote Karte soll­te der AfD und nicht der Bun­des­kanz­le­rin ge­zeigt wer­den." Geht das? Nein, sagt hier das BVerfG. Wenn Re­gie­rungs­mit­glie­der eine po­li­ti­sche Ver­an­stal­tung ne­ga­tiv be­wer­te­ten, könne das Leute ab­schre­cken, so Karls­ru­he. Mi­nis­ter könn­ten auf Kri­tik re­agie­ren. Un­sach­li­che oder dif­fa­mie­ren­de An­grif­fe dürf­ten aber nicht eben­so be­ant­wor­tet wer­den. Wanka wurde zum Ver­häng­nis, dass sie sich mit Dienst­wap­pen auf der Mi­nis­te­ri­ums-Home­page er­klärt hat.

See­ho­fer ver­hin­der­te Sach­ent­schei­dung im Eil­ver­fah­ren

Schon da­mals warnt AfD-Co-Chef Jörg Meuthen, das Ur­teil soll­te auch an­de­ren Re­gie­rungs­mit­glie­dern eine Lehre sein. "So macht man das. AfD wirkt." Die Ver­lo­ckung dürf­te also groß ge­we­sen sein, dem Tri­umph gegen Wanka einen Tri­umph gegen See­ho­fer fol­gen zu las­sen. Ein Eil­an­trag lief 2018 ins Leere. Denn See­ho­fer war schnel­ler: Ehe Karls­ru­he ent­schei­den konn­te, war das In­ter­view von der Mi­nis­te­ri­ums­sei­te ver­schwun­den. Die Rich­ter sahen kein Rechts­schutz­be­dürf­nis mehr.

Rich­ter eher skep­tisch ge­gen­über See­ho­fer-Po­si­ti­on

Nun aber geht es ums Grund­sätz­li­che - und es deu­tet wenig dar­auf hin, dass die Rich­ter des Zwei­ten Se­nats ihre stren­ge Linie auf­wei­chen. Er habe in sei­nen Jah­ren als saar­län­di­scher Mi­nis­ter­prä­si­dent die Er­fah­rung ge­macht, dass jeder Po­li­ti­ker ganz genau wisse, ob er sich im Staats­amt oder als Par­tei­po­li­ti­ker äu­ße­re, sagt der für das Ver­fah­ren zu­stän­di­ge Be­richt­erstat­ter Peter Mül­ler. Und auch an­de­re Rich­ter wei­sen be­harr­lich dar­auf hin, dass be­stimm­te Äu­ße­run­gen viel­leicht bes­ser über an­de­re Ka­nä­le lau­fen. "Da ist unser Pro­blem", fasst Ge­richts­prä­si­dent An­dre­as Vo­ß­kuh­le zu­sam­men. Noch ist das kein Ur­teil. Das wird in den nächs­ten Mo­na­ten ver­kün­det.

Redaktion beck-aktuell, Anja Semmelroch, 11. Februar 2020 (dpa).

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