EU-Gesetzentwurf zur Eindämmung von Kinderpornografie im Internet
Die EU-Kommission hatte Mitte Mai einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem sie die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet eindämmen will. Bürgerrechtsorganisationen und andere Kritiker kritisierten diesen unter dem Schlagwort “Chatkontrolle“. Sie sehen darin einen Versuch, die gesamte Kommunikation im Netz inklusive verschlüsselter Nachrichten zu scannen und fürchten Massenüberwachung. Es gebe keine Technologie, die fehlerfrei Missbrauchsdarstellungen sowie Grooming aufspüren könne. Beim Grooming handelt es sich um die Kontaktaufnahme Erwachsener zu Kindern in Missbrauchsabsicht. Selbst dem Deutschen Kinderschutzbund geht der Entwurf zu weit.
“Chatkontrolle“ stößt wegen Datenschutzbedenken auf massive Kritik
Auch die Bundesminister Marco Buschmann, Volker Wissing (beide FDP) und Faeser äußerten sich zuletzt kritisch. Justizminister Buschmann twitterte, er sei politisch und rechtlich “sehr skeptisch“. “Eine generelle flächendeckende Überwachungsmaßnahme privater Korrespondenz gerade auch im digitalen Raum lehnt mein Haus ab.“ Im Bundestag sagte er: “Chatkontrollen haben im Rechtsstaat nichts verloren.“ Digitalminister Wissing ließ mitteilen, einige der Vorschläge beunruhigten ihn, “weil sie einen Eingriff in den geschützten Raum der Vertraulichkeit der Kommunikation darstellen könnten“. Nachdem sie den Vorschlag zunächst grundsätzlich begrüßt hatte, schwenkte auch Faeser um. Am 03.06.2022 sagte sie: “Da geht es um verschlüsselte Kommunikation. Das wäre so, als wenn man in jeden Brief, in jeden Briefkasten gucken möchte. Das möchte niemand.“
Johansson verweist auf vorgeschaltete Risikoanalyse
Johansson verteidigt dagegen den Entwurf und betont, dieser schreibe keinerlei Technologie vor. Vielmehr lege der Text, über den EU-Staaten und Europaparlament nun verhandeln müssen, ein bestimmtes Prozedere fest. Demnach müssen alle Unternehmen zunächst analysieren, wie groß das Risiko ist, dass auf ihren Seiten Kinderpornografie geteilt wird. Gegebenenfalls müssten die Seiten Gegenmaßnahmen treffen. Damit mache man es den Straftätern und Pädophilen schon viel schwerer, sagte Johansson. Falls dies nicht ausreiche, könne von einem Gericht oder einer anderen unabhängigen Behörde eine sogenannte "detection order" zum Scannen der Inhalte angeordnet werden.
Neue EU-Behörde für “Grooming-Fälle“ geplant
Johansson verweist auf weitere Vorkehrungen zum Schutz der Privatsphäre etwa bei der Suche nach Grooming-Fällen. Beim Grooming nehmen Erwachsene in Missbrauchsabsicht Kontakt mit Minderjährigen auf. Da die entsprechende Technologie noch nicht so präzise sei wie die zum Entdecken bereits bekannter Darstellungen, müssten Treffer immer von Menschen überprüft werden, bevor die tatsächlichen Fälle dann an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden, erläuterte Johansson. Dies solle in einer neu zu schaffenden EU-Behörde geschehen. Welche Software all das leisten soll, lässt sie offen. Sie werde nicht in die Falle tappen, eine bestimmte Technologie ins Gesetz zu schreiben, die womöglich schon überholt sei, wenn die Regeln in Kraft treten. Als nächstes verhandeln nun die EU-Staaten und das Europaparlament über den Vorschlag, ehe sie sich auf eine gemeinsame Linie einigen müssen. Die Position des Ministerrats muss jedoch nicht einstimmig getroffen werden. Die Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag ein “Recht auf Verschlüsselung“ verspricht, könnte womöglich also von den anderen Ländern überstimmt werden.