Kabinett will mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung

Vor dem Hintergrund verschiedener Arzneimittelskandale hat das Bundeskabinett am 30.01.2019 das "Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)" beschlossen. Danach soll der Bund künftig bei Arzneimittelrückrufen und den Kontrollen der Hersteller in Drittstaaten mehr Befugnisse bekommen. Auch die Arzneimitteltherapie soll im Sinne der Patientensicherheit verbessert werden. Dazu soll unter anderem der Rahmen für die Herstellung und Abgabe von Krebsarzneimitteln durch Apotheken deutlich verschärft und die Herstellung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch Heilpraktiker nur noch in Ausnahmefällen erlaubt werden.

Rückrufkompetenzen sollen erweitert werden

Unter anderem sollen die Rückrufkompetenzen der zuständigen Bundesoberbehörden erweitert werden: Bei nationalen und zentralen europäischen Zulassungen sollen Rückrufe durch die Bundesoberbehörden grundsätzlich bei Qualitätsmängeln, negativem Nutzen-Risiko-Verhältnis oder beim Vorliegen des Verdachts von Arzneimittelfälschungen möglich sein. Die Überwachungsbefugnis der Landesbehörden von Betrieben und Einrichtungen, die der Arzneimittelüberwachung unterliegen, werde gestärkt. Die Befugnis zur Einsichtnahme in Unterlagen bezüglich der Wirkstoffe und anderer zur Arzneimittelherstellung bestimmter Stoffe werde klargestellt. Die Häufigkeit bestimmter Inspektionen werde erhöht. Regelbeispiele für Fälle, in denen unangemeldete Inspektionen angezeigt sind, würden klar definiert (zum Beispiel Apotheken mit Zytostatikaherstellung). Zum Schutz vor Arzneimittelfälschungen sollen Anpassungen an die europäischen Vorgaben zum Fälschungsschutz und zu den Sicherheitsmerkmalen auf Arzneimitteln vorgenommen werden. Neben Anzeige- und Überwachungspflichten seien Sanktionen bei Verstößen gegen die Anforderungen der EU-Verordnung vorgesehen. Zudem werde eine Vereinfachung bei der Kennzeichnung eingeführt.

Regressanspruch von Krankenkassen gegenüber Pharmaunternehmen

Außerdem wird nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums geregelt, dass für die Versicherten künftig die Zuzahlung entfällt, wenn ein Arzneimittel wegen Qualitätsmängeln zurückgerufen wird. Krankenkassen könnten in diesen Fällen einen Regressanspruch gegenüber dem Pharmaunternehmen geltend machen. Bei Rabattverträgen der Krankenkassen mit den Arzneimittelherstellern solle künftig gelten, dass auch eine unterbrechungsfreie und bedarfsgerechte Lieferfähigkeit des Arzneimittels zu berücksichtigen ist. Dies diene auch der Vorbeugung von Liefer- und Versorgungsengpässen bei Rabattarzneimitteln und nehme die Krankenkasse in die Mitverantwortung für die Lieferfähigkeit, heißt es in der Mitteilung des Gesundheitsministeriums.

Besserer Zugang zu Biosimilars

Für die Patienten soll künftig außerdem der Zugang zu biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln, deren Patent abgelaufen ist (sogenannte Biosimilars) verbessert werden.

Neuregelung zur Herstellung von Frischzellen

Es werde eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um die Herstellung von Frischzellen zur Anwendung am Menschen zu verbieten. Das sei notwendige Voraussetzung dafür, dass das Bundesgesundheitsministerium eine Verordnung zum Verbot von Frischzellen zur Anwendung am Menschen erlassen könne. 

Fahrplan zur Einführung des elektronischen Rezepts

Die Selbstverwaltung werde verpflichtet, die notwendigen Regelungen für die Verwendung des elektronischen Rezeptes zu schaffen und insbesondere die Regelungen anzupassen, die bislang die Verordnung von Arzneimitteln ausschließlich in Papierform vorsehen (Frist: sieben Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes). Apotheken sollen verschreibungspflichtige Arzneimittel künftig auch nach einer offensichtlichen ausschließlichen Fernbehandlung abgeben können.

Versorgung mit medizinischem Cannabis wird neu geregelt

Bei der Versorgung mit medizinischem Cannabis soll künftig – nach einmal erfolgter Genehmigung – kein erneuter Antrag bei der Krankenkasse im Fall einer Anpassung der Dosierung oder eines Wechsels der Blütensorte (Wechsel von Blüten der einen Sorte zu Blüten einer anderen Sorte oder Wechsel zwischen verschiedenen Extrakten) notwendig sein. Bei einer vertragsärztlichen Verordnung von medizinischem Cannabis unmittelbar im Anschluss an eine Behandlung mit Cannabisarzneimitteln im Krankenhaus betrage die Genehmigungsfrist lediglich drei Tage, wie schon bisher für die Versorgung von Patienten im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung.

Keine Ausnahme vom Apothekenvertriebsweg mehr für Hämophilie-Arzneimittel

Für Arzneimittel zur Versorgung von Patienten mit Hämophilie (Bluterkrankheit) werde die bisherige Ausnahme vom Apothekenvertriebsweg (Direktvertrieb des Herstellers mit Ärzten und Krankenhäusern) zurückgenommen, so das Bundesgesundheitsministerium weiter. Damit würden Faktor-Präparate mit den übrigen Biologika-Arzneimitteln gleichbehandelt. Das diene der flächendeckenden Versorgung durch die Abgabe über den regulären Apothekenvertriebsweg (Vertrieb über Großhandel und Apotheken) und verbessere die Transparenz bei Verordnungen dieser kostenintensiven Therapien. Die Notfallversorgung werde geregelt. Hämophiliezentren würden gestärkt, indem die Kassen verpflichtet würden, Verträge zur Kompensation des besonderen Betreuungs- und Dokumentationsaufwands sowie der Notfallversorgung mit den Zentren abzuschließen.

Neue Dokumentations- und Meldepflichten für nichtzulassungs- oder nichtgenehmigungspflichtige Arzneimittel

Für nichtzulassungs- oder nichtgenehmigungspflichtige Arzneimittel für neuartige Therapien (beispielsweise Gentherapien) werde eine Dokumentations- aller und Meldepflicht schwerwiegender Verdachtsfälle von Nebenwirkungen eingeführt. Zudem sei eine Anzeigepflicht gegenüber der zuständigen Bundesoberbehörde geplant.

Einführung differenzierter Preisabstandsregelung 

Die bisherige Preisabstandsgrenze von 15-Euro/15-% bei der Regelung zum Import von Arzneimitteln (Importklausel) werde durch eine differenziertere Preisabstandsregelung ersetzt, da sich die derzeit geltende Regelung als ungeeignet erwiesen habe, Wirtschaftlichkeitsreserven insbesondere bei hochpreisigen Arzneimitteln zu heben, so das Bundesgesundheitsministerium abschließend.

Redaktion beck-aktuell, 31. Januar 2019.