Die Formulierungshilfe sieht vor, dass Geduldete im Regelfall eine Beschäftigungserlaubnis erhalten. Außerdem soll das Arbeitsverbot für Geflüchtete, die in Erstaufnahmeeinrichtungen für Alleinstehende leben, bereits nach sechs Monaten entfallen. Bisher galt das Verbot für neun Monate.
Die Ampel-Koalition will auch die Stichtagsregelung für die sogenannte Beschäftigungsduldung ändern. Bisher kann diese Möglichkeit nur nutzen, wer vor dem 1. August 2018 in die Bundesrepublik gekommen ist. Künftig sollen alle, die bis Ende 2022 nach Deutschland eingereist sind, diese Chance auf eine langfristige Bleibeperspektive nutzen können. Menschen, die aus sogenannten sicheren Herkunftsländern "offensichtlich unbegründete" Asylanträge gestellt oder ihre Identitätsklärung verweigert haben, sollen von den nun auf den Weg gebrachten Erleichterungen nicht profitieren können.
Geduldete sind Menschen, die zwar ausreisepflichtig sind, aber aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können. Ende Juni waren insgesamt 279.098 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig – 224.768 von ihnen hatten eine Duldung, etwa weil sie keine Ausweisdokumente haben, krank sind oder ein minderjähriges Kind haben, das eine Aufenthaltserlaubnis besitzt.
Neue Regeln zum automatischen Datenaustausch im Ausländer- und Sozialrecht
Das Kabinett beschloss außerdem Regelungen zum automatischen Datenaustausch im Ausländer- und Sozialrecht. Mit dem von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgelegten Gesetzentwurf soll beispielsweise sichergestellt werden, dass eine Ausländerbehörde informiert wird, wenn jemand keine Sozialleistungen mehr bezieht. Umgekehrt soll die Stelle, die sich um die Auszahlung von existenzsichernden Leistungen kümmert, direkt von der Ausländerbehörde hören, wenn ein Ausländer fortgezogen ist. Derzeit "erhalten Leistungsbehörden Daten etwa zum Fortzug eines Ausländers nur auf Ersuchen im Einzelfall", heißt es in dem Gesetzentwurf.
Ebenfalls verabschiedet wurde ein Vorschlag für die Verschärfung der Strafvorschriften für Schleuser. Schleuser, die das Leben von Menschen leichtfertig aufs Spiel setzen, sollen demnach künftig mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder Haft von 10 bis 15 Jahren bestraft werden. Bislang liegt der Strafrahmen hier bei 3 bis 15 Jahren. Bei gewerbsmäßiger oder bandenmäßiger Schleusung oder bei Fällen mit Waffen, Gesundheitsgefährdung, unbegleiteten Minderjährigen oder Durchbrechen einer Polizeikontrolle soll künftig eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe gelten, so dass diese Straftaten als Verbrechen eingestuft werden. Polizei und Staatsanwaltschaft haben künftig bei allen Schleusungsdelikten die Befugnis zur Telekommunikationsüberwachung.
Länder und Kommunen wollen mehr Geld
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder beraten am kommenden Montag erneut über Migrationsfragen. Aus den Ländern und Kommunen kommt neben dem Ruf nach mehr Geld vom Bund für die Versorgung von Geflüchteten zunehmend auch die Forderung, die Zahl der Asylbewerber, die nach Deutschland kommen, zu begrenzen.
Viele der nun vom Kabinett beschlossenen Änderungen gingen auf die Beschlüsse der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder im vergangenen Mai ein, betonte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Auf die Frage eines Journalisten, mit wie vielen zusätzlichen Arbeitskräften infolge der geplanten Änderung zu Beschäftigungserlaubnissen zu rechnen sei, antwortete die Ministerin, es sei schwierig, hier konkrete Zahlen zu nennen.
Die Grünen-Politiker Ricarda Lang und Winfried Kretschmann schrieben in einem gemeinsamen Gastbeitrag für den Tagesspiegel: "Wenn die Kapazitäten – wie jetzt – an ihre Grenzen stoßen, müssen auch die Zahlen sinken." Die Parteivorsitzende und der baden-württembergische Ministerpräsident betonten, bei aller gebotenen Menschlichkeit gelte: "Steuerung und Rückführung gehören zur Realität eines Einwanderungslandes wie Deutschland dazu."
CDU-Politiker: "Einfacher mit Asylantrag als mit Universitätsabschluss"
Die Linken-Innenpolitikerin Clara Bünger begrüßte zwar die nun vom Kabinett beschlossenen Erleichterungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie kritisierte jedoch: "Weiterhin werden ganze Gruppen einem pauschalen Arbeitsverbot unterliegen, etwa Geflüchtete aus so genannten sicheren Herkunftsstaaten oder Menschen, denen unterstellt wird, dass sie an einer Identitätsklärung nicht mitwirken."
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, beklagte dagegen eine weitere Vermischung von Asyl- und Erwerbsmigration. "Für Ausländer wird es dann einfacher sein, mit einem Asylantrag als mit einem Universitätsabschluss nach Deutschland zu gelangen", kritisierte der CDU-Politiker. Ein Problem stellten nicht diejenigen dar, die in den ersten Monaten nicht arbeiten dürfen, sondern die vielen anerkannten Flüchtlinge, die arbeiten dürften und erwerbsfähig seien, aber dennoch von Sozialleistungen lebten. Diese zur Arbeit zu mobilisieren müsse der Fokus der Regierung sein.
Die AfD forderte eine "echte Migrationswende" und bezeichnete dafür die geplante Zusammenarbeit mehrerer nordischer Länder bei Abschiebungen als Vorbild. Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island hatten sich nach Angaben des dänischen Ausländer- und Integrationsministeriums unter anderem auf das Ziel geeinigt, in Zusammenarbeit mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex gemeinsame Flüge in ein Drittland zu organisieren, damit Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung ausreisen.