Kabinett beschließt weiteres Gesetz zum Bevölkerungsschutz wegen Epidemie-Lage

Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei epidemischer Lage von nationaler Tragweite beschlossen. Ziel sei es, besonders gefährdete Menschen bestmöglich vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen und einen besseren Einblick in den Verlauf der Epidemie zu erhalten, heißt es in einer Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vom 29.04.2020. Außerdem sollen Pflegekräfte einen Bonus erhalten und Pflegebedürftige flexibler unterstützt werden.

Mehr Tests sollen ermöglicht werden

Das BMG kann die gesetzliche Krankenversicherung nach der Neuregelung per Verordnung verpflichten, Tests auf das Coronavirus grundsätzlich zu bezahlen. Damit würden Tests in einem weiteren Umfang als bisher möglich – zum Beispiel auch dann, wenn jemand keine Symptome zeigt. Gesundheitsämter sollen Tests ebenfalls über die GKV abrechnen können. Das gleiche gelte für Tests auf Immunität, sobald klar ist, dass eine Immunität für einen längeren Zeitraum möglich und die Person dann nicht mehr ansteckend ist. Im Umfeld besonders gefährdeter Personen – etwa in Pflegeheimen – soll verstärkt auf Corona-Infektionen getestet werden. So könnten Infektionen früh erkannt und Infektionsketten effektiv unterbrochen werden.

Meldepflichten sollen ausgeweitet werden

Die Labore müssten künftig auch negative Testergebnisse melden. Außerdem müssten Gesundheitsämter übermitteln, wenn jemand als geheilt gilt. Teil des Meldewesens sei künftig auch, wo sich jemand wahrscheinlich angesteckt habe. Die Daten würden anonymisiert an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt. Das BMG könne Labore verpflichten, Daten von Proben pseudonymisiert an das RKI zu übermitteln. Ein Rückschluss aus den übermittelten Daten auf die Person sei auszuschließen. Wenn wissenschaftlich bewiesen sei, dass nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 Immunität bestehe und man niemanden mehr anstecken könne, ließen sich Schutzmaßnahmen zielgenauer ergreifen, so das Ministerium. Dafür könne man sich künftig Immunität bescheinigen lassen – analog zum Impfpass. Um besser einschätzen zu können, wie das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz wirke und wie es sich auf die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser auswirke, würden zwei unterjährige Datenübermittlungen zum Leistungsgeschehen eingeführt. Die Ergebnisse würden dem BMG vorgelegt.

Flexibilität für Auszubildende und Studierende im Gesundheitswesen

Das BMG soll Änderungen in den Ausbildungen zu den Gesundheitsberufen vornehmen können, zum Beispiel bezüglich der Dauer der Ausbildung, der Nutzung digitaler Unterrichtsformen oder Prüfungen. Für die Ausbildungen zum Ergotherapeut und zum Logopäden würden dort noch fehlende Härtefallregelungen geschaffen, die die zuständigen Landesbehörden anwenden könnten. Das Bundesministerium für Gesundheit soll die Möglichkeit erhalten, die Approbationsordnung für Zahnärzte kurzfristig für die Zeit der epidemischen Lage flexibler zu gestalten. So könne geregelt werden, dass die beiden Vorprüfungen sowie die Zahnärztliche Prüfung beispielsweise an Simulatoren oder anderen geeigneten Medien durchgeführt werden könnten. Zudem sollen Lehrveranstaltungen durch digitale Lehrformate unterstützt oder ersetzt werden können. Das Inkrafttreten der neuen Approbationsordnung für Zahnärzte werde um ein Jahr auf den 01.10.2021 verschoben, damit die Fakultäten zusätzlich zu den coronabedingten Anpassungen ausreichend Zeit für die Umstellung auf die neue Approbationsordnung hätten.

Prämie für Personal in Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten

Alle Beschäftigten in der Altenpflege erhalten nach der Neuregelung im Jahr 2020 einen gestaffelten Anspruch auf eine einmalige Sonderleistung (Corona-Prämie) in Höhe von bis zu 1.000 Euro. Die höchste Prämie sollen Vollzeitbeschäftigte in der direkten Pflege und Betreuung erhalten. Auch Auszubildende, Freiwilligendienstleistende, Helfer im freiwilligen sozialen Jahr und Leiharbeiter sowie Mitarbeiter in Servicegesellschaften sollen eine Prämie erhalten. Arbeitgebern in der Pflege würden die Prämien im Wege der Vorauszahlung zunächst von der sozialen Pflegeversicherung erstattet. In der zweiten Hälfte des Jahres 2020 würden Bundesgesundheitsministerium und Bundesfinanzministerium miteinander festlegen, in welchem Umfang die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung Zuschüsse des Bundes zur Stabilisierung der jeweiligen Beitragssätze, auch zur Refinanzierung der Corona-Prämien erhalten. Die Länder und die Arbeitgeber in der Pflege könnten die Corona-Prämie ergänzend beispielweise bis zur Höhe der steuer- und sozialversicherungsabgabenfreien Summe von 1.500 Euro aufstocken.

Hilfen für Pflegebedürftige im ambulanten Bereich

Pflegebedürftige im Pflegegrad 1 sollen den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro – abweichend von den derzeit geltenden Vorgaben nach Landesrecht – auch anderweitig verwenden können. Dies soll zeitlich befristet bis zum 30.09.2020 beispielweise für haushaltsnahe Dienstleistungen gelten. Für alle Pflegebedürftigen gelte: Die bisherige Ansparmöglichkeit von nicht in Anspruch genommenen Entlastungsleistungen werde einmalig um drei Monate verlängert. Anbieter im Bereich der Alltagsunterstützung sollen Mindereinnahmen und außerordentliche Aufwendungen von der Pflegeversicherung erstattet bekommen. Die Erstattung der Mindereinnahmen soll begrenzt sein auf bis zu 125 Euro monatlich je Pflegebedürftigen, der die Dienste des Angebotes nicht in Anspruch nimmt. Der Zugang zum Pflegeunterstützungsgeld soll zudem erleichtert werden. Zur Überbrückung quarantänebedingter Versorgungsengpässe in der ambulanten oder der stationären Pflege sollen stationäre Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen in Anspruch genommen werden können.

Mehr Unterstützung für Öffentlichen Gesundheitsdienst

Der Öffentliche Gesundheitsdienst soll durch Maßnahmen des Bundes während der epidemischen Lage von nationaler Tragweite unterstützt werden – insbesondere, um die Digitalisierung voranzutreiben. Dafür würden etwa 50 Millionen Euro für die 375 Gesundheitsämter in der Bundesrepublik bereitgestellt. Beim Robert Koch-Institut werde dauerhaft eine Kontaktstelle für den Öffentlichen Gesundheitsdienst eingerichtet.

Weniger Bürokratie für Versicherte, Verwaltung und Gesundheitswesen

Könne jemand aufgrund beispielsweise einer Quarantäneanordnung nicht arbeiten, soll er unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf Erstattung seines Verdienstausfalls haben. Die Antragsfrist dafür soll deutlich verlängert werden – von drei auf zwölf Monate. So würden die Betroffenen, aber auch die Verwaltung entlastet. Gesetzliche Verpflichtungen der Kranken- und Pflegekassen, bestimmte Beträge (Sollwert) für Präventionsmaßnahmen auszugeben, sollen bis Ende 2020 ausgesetzt werden. Ärzte sollen mehr saisonalen Grippeimpfstoff vorab bestellen können, ohne Regressforderungen der Krankenkassen wegen unwirtschaftlicher Verordnung befürchten zu müssen. Privat Krankenversicherte, die vorübergehend hilfebedürftig würden und in den Basistarif wechseln, sollen einfacher – das heißt ohne erneute Gesundheitsprüfung – in ihren Ursprungstarif wechseln können. Zur Verwendung elektronischer Verordnungen von digitalen Gesundheitsanwendungen sollen Pilotprojekte ermöglicht werden. Das Inkrafttreten des neuen Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes werde verschoben, sodass das Medizinproduktegesetz bis zum 26.05.2021 weiter gilt. So könnten sich die Hersteller auf die Produktion der für die Bewältigung der COVID-19 Pandemie dringend benötigten Medizinprodukte konzentrieren und die Versorgungssicherheit in Deutschland weiter gewährleisten. Dies geschehe auf der Grundlage der europäischen Vorgaben.

Solidarität mit europäischen Nachbarn

Als Zeichen der europäischen Solidarität will der Bund die Kosten für die intensivmedizinische Behandlung von Patienten aus dem europäischen Ausland (EU, UK und Irland) in deutschen Krankenhäusern übernehmen, wenn die Patienten in ihrem Heimatland wegen fehlender Kapazitäten nicht behandelt werden konnten.

Redaktion beck-aktuell, 29. April 2020.

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