Kabinett beschließt Novelle des Klimaschutzgesetzes
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© Kay Nietfeld / dpa

Deutschland wird bis 2045 klimaneutral und beschreibt den Weg dahin mit verbindlichen Zielen für die 20er und 30er Jahre. Das ist der Kern der Novelle des Klimaschutzgesetzes, die das Bundeskabinett heute auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) beschlossen hat. Das Zwischenziel für 2030 wird von derzeit 55% auf 65% Treibhausgasminderung gegenüber 1990 erhöht. Für 2040 gilt ein neues Zwischenziel von 88% Minderung.

Mehr Generationengerechtigkeit bei der Verteilung der Klimaschutzlast

Die Klimaschutzanstrengungen werden so bis 2045 fairer zwischen den jetzigen und künftigen Generationen verteilt, erläutert Schulze. So wie es das Bundesverfassungsgericht Ende April gefordert habe. In den nächsten Wochen soll ein Sofortprogramm erste Weichenstellungen für das neue Ziel vornehmen, wie aus einem begleitenden Beschluss des Bundeskabinetts hervorgeht. Das Klimaschutzgesetz führe das System der jahresscharfen zulässigen Emissionsmengen für die einzelnen Sektoren für die 20er Jahre fort und senke sie deutlich ab. Den Löwenanteil der zusätzlichen Minderung bis 2030 müssten die Energiewirtschaft und die Industrie als Sektoren mit den höchsten Emissionen und den geringsten Vermeidungskosten übernehmen. Insbesondere auch weil eine erneuerbare Energieversorgung der Schlüssel für Emissionsminderungen in allen anderen Sektoren sei, in denen erneuerbar erzeugter Strom fossile Brenn- und Kraftstoffe ersetzen könne.

Klimaziele für 2030er Jahre und neue Zielvorgabe für Wälder und Moore

Das neue deutsche Klimaziel für 2030 berücksichtige auch das neue höhere EU-Klimaziel für 2030, auf das sich alle Mitgliedstaaten unter deutscher Ratspräsidentschaft Ende 2020 verständigt hatten, erläuterte die Ministerin weiter. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor knapp zwei Wochen habe sich die Bundesregierung entschlossen, mit der Umsetzung der EU-Einigungen nicht zu warten, sondern diese bereits zu antizipieren und später bei Bedarf zu aktualisieren. Das habe den Vorteil, dass im Kampf gegen den Klimawandel keine Zeit verloren geht. Auch für die 30er Jahre sehe das Gesetz für jedes einzelne Jahr konkrete Minderungsziele vor. Wie diese zwischen den Sektoren aufgeteilt werden, werde im Jahr 2024 entschieden, wenn auf europäischer Ebene wichtige Weichen für die künftige Klimaschutz-Architektur gestellt sind. Neu sei auch eine Zielvorgabe für den Erhalt und den Ausbau der natürlichen CO2-Senken wie Wälder und Moore. Diese würden benötigt, um die unvermeidbaren Restemissionen von Treibhausgasen, etwa aus der Viehhaltung oder bestimmten Industrieprozessen, zu kompensieren.

Auch Vermieter sollen CO2-Kosten mittragen

Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes werde auch die Rolle des Expertenrats für Klimafragen gestärkt. Der Rat werde nun alle zwei Jahre einen Bericht über die bisherige Zielerreichung und über Trends vorlegen. Zusätzlich zum Beschluss des neuen Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung ein Sofortprogramm angekündigt, mit dem sie die Umsetzung der neuen Klimaschutzziele für die verschiedenen Sektoren unterstützen wird. Dies soll mit zusätzlicher Förderung im Umfang von bis zu 8 Milliarden Euro geschehen – aber auch mit zusätzlichen Vorgaben. So sollen beispielsweise die Energiestandards für Neubauten gestärkt werden. Die Kosten des CO2-Preises sollen künftig nicht mehr allein von den Mieterinnen und Mietern, sondern zur Hälfte von den Vermieterinnen und Mieter getragen werden. Damit soll die Wirkung des CO2-Preises verbessert werden, da Vermieter über energetische Sanierungen und die Art der Heizung entscheiden.

Deutliche Kritik aus Automobilindustrie

Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, hat die Klimapolitik der Bundesregierung als überhastet und unrealistisch kritisiert. "Ich kritisiere ausdrücklich das Klimaschutzgesetz, das heute im Kabinett ist2, sagte Müller am Mittwoch auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel in München. Sie bezweifele, dass die Koalition die Konsequenzen für den Industriestandort und die Beschäftigung in der Eile richtig abgeschätzt habe. Die Elektromobilität laufe gerade hoch. Aber "es wird immer dann schwierig, wenn die Politik ständig Rahmenbedingungen verändert", sagte Müller. Dass sich exakte CO2-Werte für 10 oder 15 Jahre im Voraus planen ließen, "ist eine Illusion, die dort aufgebaut wird". Die Fehler bei der Energiewende sollten jetzt nicht bei der Verkehrswende fortgeführt werden. Die Politik gebe nicht nur Ziele, sondern leider auch die Wege dahin vor, obwohl Ladesäulen und CO2-freier Strom fehlten. "Ich glaube, dass der Atomausstieg damals überhastet war", sagte Müller.

BUND: Besser, aber nicht ausreichend

Auch der BUND kritisierte den Entwurf. Er hält ihn für längst nicht ausreichend. Der Entwurf sei zwar ein großer Fortschritt, werde aber dennoch nicht reichen, um Deutschlands Beitrag zur Erderhitzung bestenfalls auf 1,5 Grad zu begrenzen, sagte Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender. Doch genau das habe das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die Generationengerechtigkeit gefordert. Daher fordert der BUND die Bundesregierung auf, sofort nachzubessern. Deutschlands Emissionen müssten mit kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen möglichst schnell gesenkt werden. Das Ende für die Kohle müsse bis spätestens 2030 kommen. Erneuerbare Energien seien ambitioniert auszubauen: auf 80 Prozent bis 2030. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte die Bundesregierung auf, es nicht bei Ankündigungen und Überschriften zu belassen, sondern möglichst schnell konkrete Gesetzesvorschläge vorzulegen. Es fehlten konkrete Ausbaupfade für Erneuerbare Energien und die lange angekündigte EEG-Novelle.

Redaktion beck-aktuell, 12. Mai 2021.