Kabinett beschließt besseren Schutz von Hinweisgebern

Die Bundesregierung will Bürger, die Hinweise auf Missstände in Unternehmen oder Behörden geben, besser vor Kündigung und Mobbing schützen. Das Bundeskabinett hat dazu heute einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen, der unter anderem die verpflichtende Einrichtung von Meldestellen vorsieht. Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert den Entwurf als "Stückwerk".

Weiter Anwendungsbereich 

Der persönliche Anwendungsbereich des HinSchG solle weit gefasst werden. Geschützt würden damit nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch Beamte, Selbstständige, Anteilseigner und Mitarbeiter von Lieferanten. Bei den Hinweisen kann es beispielsweise um Verstöße gegen Umweltschutzvorgaben oder Sicherheitsvorschriften, aber auch gegen das Kartellrecht gehen. Die sogenannten Whistleblower sollen sich an Meldestellen wenden können, wo ihre Identität vertraulich behandelt wird.

Größere Arbeitgeber müssen Meldestellen einrichten

Die internen und externen Meldestellen seien institutionelles Kernstück des Hinweisgeberschutzsystems. Die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen betreffe sowohl die Privatwirtschaft als auch den gesamten öffentlichen Sektor, sofern bei der jeweiligen Stelle in der Regel mindestens 50 Personen beschäftigt seien. Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten sollen für die Einrichtung interner Meldestellen bis zum 17.12.2023 Zeit haben. Auch könnten Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten, mit anderen Unternehmen zusammen eine gemeinsame Meldestelle betreiben. Die Einrichtung von internen Meldestellen solle den Unternehmen auch dadurch erleichtert werden, dass Dritte als interne Meldestellen beauftragt werden können oder diese innerhalb des Konzerns zentral bei der Konzernmutter angesiedelt werden können.

Zentrale externe Meldestelle solle beim Bundesamt für Justiz

Eine zentrale externe Meldestelle solle beim Bundesamt für Justiz (BfJ) eingerichtet werden. Daneben sollen die bestehenden Meldesysteme bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie beim Bundeskartellamt als weitere externe Meldestellen mit Sonderzuständigkeiten weitergeführt werden. Die externe Meldestelle des Bundes beim BfJ solle mit einer Bund-Länder-übergreifenden Zuständigkeit ausgestattet werden, die sowohl den öffentlichen Sektor als auch die Privatwirtschaft betreffe. Der externen Meldestelle des Bundes solle darüber hinaus die Aufgabe zukommen, Personen, die eine Meldung erwägen, umfassend über die zur Verfügung stehenden Verfahren zu informieren und zu beraten. Den Ländern stehe es frei für Meldungen, die die jeweilige Landesverwaltung und die jeweiligen Kommunalverwaltungen beträfen, eigene externe Meldestellen einzurichten.

Schutz vor Repressalien

Auch anonyme Hinweise sollten bearbeitet werden. Zum Schutz von Hinweisgebern sei ein Verbot von Repressalien vorgesehen. Ungerechtfertigte Nachteile für den Hinweisgeber wie Kündigung, Abmahnung, Verhindern einer Beförderung, Diskriminierung, Rufschädigung und Mobbing sollen verboten sein und zu Geldbußen führen können. Um die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger zu verbessern, enthalte der Entwurf eine Beweislastumkehr zugunsten der geschützten Person.

Schadensersatzansprüche

Der Entwurf des HinSchG enthalte zudem zwei spezielle Schadensersatzvorschriften: Zum einen sei der hinweisgebenden Person bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot der daraus entstehende Schaden zu ersetzen. Zum anderen sei im Falle einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldung die hinweisgebende Person zur Erstattung des dadurch eingetretenen Schadens verpflichtet.

Deutschland wegen drohender EU-Klage unter Zeitdruck

Bei der Reform steht Deutschland unter Zeitdruck, denn es droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Eigentlich lief Mitte Dezember eine Frist für die EU-Staaten aus, die Hinweisgeberschutzrichtliniegemeinsame (EU) 2019/1937  in nationales Recht umzuwandeln. Das Justizministerium begründete die Verzögerung mit der früheren schwarz-roten Bundesregierung. Ein fertiger Entwurf sei am Widerspruch der Union gescheitert. Die neue rot-grün-gelbe Regierung habe das Projekt umgehend aufgenommen.

Journalistenveband kritisiert Entwurf als "Stückwerk"

Der Deutsche Journalisten-Verband hält den Entwurf für unzureichend und kritisiert ihn als "Stückwerk". "Wir fordern", so DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall, "dass alle Whistleblower geschützt werden, egal welchen Gesetzesverstoß sie aufdecken. Wir Journalisten sind auf Hinweisgeber dringend angewiesen." Die vorgesehene Verpflichtung, dass anonyme Hinweise nicht ignoriert werden dürften, sei nicht mehr als ein Schritt in die richtige Richtung, zumal für sie keine Kanäle in den Meldestellen vorgeschrieben werden. Und auch formal legales, aber illegitimes Verhalten gehöre in die Öffentlichkeit, ohne dass die Hinweisgeber persönliche Nachteile fürchten müssten.

Redaktion beck-aktuell, 27. Juli 2022 (ergänzt durch Material der dpa).