Die Meldung dürfte auf dem Rechtsmarkt für einigen Wirbel sorgen: Am Mittwoch machte die Chefredaktion des Branchenmagazins Juve öffentlich, dass ein Redaktionsmitglied offenbar Bewertungen in Ranking-Einträgen den betroffenen Kanzleien vorab zugsendet hat. In seinen jährlichen Rankings bewertet das Magazin, welche Kanzleien auf ihrem Gebiet die besten sind. "Jedes Ranking basiert auf umfangreichen Recherchen bei Kanzleien, Unternehmensverantwortlichen, Behördenvertretern und Mitarbeitern aus Justiz und Wissenschaft. Dabei greift die strikt unabhängig arbeitende Redaktion inzwischen auf 25 Jahre Erfahrung mit dem Anwaltsmarkt zurück" heißt es auf der Juve-Website.
Dieses Selbstverständnis könnte nun Schaden nehmen. "Wir mussten Anfang dieser Woche feststellen, dass durch ein Mitglied unserer Redaktion die internen redaktionellen Standards für die Erstellung und journalistisch unabhängige Bewertung in unseren Rankingpublikationen verletzt wurden" teilte das Magazin mit. "Es ist uns wichtig, da wir für Transparenz im Markt einstehen, diesen Vorgang öffentlich zu machen."
"Mindestens einer Kanzlei", so heißt es in dem Statement, sei ein sie betreffender Bewertungseintrag vor Veröffentlichung zur Abstimmung vorgelegt worden. "Dies widerspricht den seit über 25 Jahren von JUVE praktizierten Prinzipien der unabhängigen Recherche und Berichterstattung und ist ein grober Verstoß gegen unsere Qualitätsstandards." Der Verstoß betreffe ein noch nicht veröffentlichtes Ranking. In der Mitteilung ruft die Chefredaktion Kanzleien auch auf, sich aktiv bei der Redaktion zu melden, falls auch sie Absprachen nahegelegt bekommen hätten.
Mehrere Kanzleien melden sich auf Aufruf der Redaktion
Dem sind im Laufe des Nachmittags schon mehrere Kanzleien nachgekommen, wie Juve-Chefredakteur Jörn Poppelbaum im Gespräch mit beck-aktuell bestätigte: "Wir können aktuell noch keine exakte Zahl sagen, wie viele Kanzleien betroffen sind. Derzeit gehen wir aber aus verschiedenen Gründen davon aus, dass es sich im einstelligen Bereich bewegt." Um welches Ranking es in dem Fall geht und ob auch andere betroffen sind, wollte er nicht öffentlich machen. Es gehe aber nur um noch nicht veröffentlichte Rankings.
Konkret soll das betreffende Redaktionsmitglied Kanzleien vorab die Ranking-Einträge "zur Durchsicht und ggf. Ergänzung" zugesendet haben. Daraufhin meldete sich zu Wochenbeginn eine Kanzlei aktiv bei der Redaktionsleitung und wies auf den ungewöhnlichen Ablauf hin. Ob andere Kanzleien, die offenbar ebenfalls die Einträge vorab erhielten, Texte verändert und an das Redaktionsmitglied zurückgesandt haben, ermittelt die Chefredaktion laut Poppelbaum gerade. "Allerdings befanden sich die Texte noch ein einem frühen Stadium, also vor den inhaltlichen Redigats- und Korrekturphasen", sagt er.
Redaktion geht von einmaligem Vorfall aus
Trotz des Vorfalls glaube man, dass sich ein journalistisches Fehlverhalten in früheren, bereits publizierten Rankings nicht zugetragen habe, so Poppelbaum. "Wir gehen davon aus, dass so etwas in der Vergangenheit nicht passiert ist und das betreffende Redaktionsmitglied auch erst in den letzten Tagen auf diese Art umgeschwenkt ist. Es geht hier um ein paar Tage und sehr aktuelle Recherchen." Bei früheren Rankings habe man nie Hinweise auf Absprachen erhalten oder Unstimmigkeiten in Texten entdeckt.
"Wir haben ein gutes Gewissen und wissen, dass wir unseren Qualitätsansprüchen bislang entsprochen haben", betonte Poppelbaum. "Wir wissen auch, dass einige schon immer an unseren Rankings gezweifelt haben und sich nun bestätigt fühlen werden. Aber man kann unsere Rankings nicht beeinflussen." Gerade deshalb, so Poppelbaum, sei die Redaktion sehr betroffen und bemühe sich mit der frühen Mitteilung nun um größtmögliche Transparenz. "Dafür haben wir in der ersten Stunden nach der Veröffentlichung auch viel Zuspruch erhalten."
In ihrer Mitteilung sprach die Chefredaktion auch von Konsequenzen, die man bereits gezogen habe. Laut Poppelbaum bedeutet dies zunächst, dass das betreffende Redaktionsmitglied von allen Recherchen für Rankings abgezogen worden sei. Zu weiteren Konsequenzen könne er sich aktuell mit Blick auf die internen Ermittlungen nicht äußern.
Auch ob die Arbeitsweise bei der Erstellung der Rankings künftig grundlegend geändert werden muss, ist derzeit noch nicht klar. "Wir analysieren jetzt, was genau passiert ist und werden dann entscheiden, wie weit eine Überarbeitung der redaktionellen Abläufe erfolgen muss", erklärte Poppelbaum. Man werde nun erst einmal die betroffenen Ranking-Einträge identifizieren und komplett neu erstellen.