Juristinnenbund befürwortet Änderung der Strafzumessung bei geschlechtsspezifischer Gewalt

Der Bundestag hat beschlossen, "geschlechtsspezifische" und "gegen die sexuelle Orientierung gerichtete" Beweggründe explizit als strafschärfend in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB aufzunehmen. Die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbunds e.V. (djb), Maria Wersig, sieht sich damit ihrer Forderung nach einer Rechtspraxis, die sich patriarchalen Macht- und Besitzdenkens bewusst ist, einen guten Schritt näher. Gleichzeitig fordert sie weitere Sensibilisierungsmaßnahmen.

djb fordert zudem Fortbildungspflicht für die Justiz

Trotz der Möglichkeit, die einschlägigen Motive bereits unter die "menschenverachtenden" Beweggründe in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB zu fassen, habe die Rechtspraxis diese bislang nur defizitär oder uneinheitlich berücksichtigt, so der djb. Durch die Erweiterung des § 46 StGB sollten Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender im gesamten Strafverfahren – einschließlich der Ermittlungsbehörden – für die genannten Motive sowie in einem weiteren Schritt für intersektionale Diskriminierungsformen sensibilisiert werden. Nur so könnten Gerichte die Motive auch angemessen in der Strafzumessung berücksichtigen. Erforderlich seien neben einem breiteren Fortbildungsangebot für Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt eine gesetzliche Verankerung der Fortbildungspflicht für die Justiz.

Fokus auf präventiven Maßnahmen

"Diese Gesetzesänderung kann nur einer von vielen Schritten zur Verhinderung und Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt sein. Der Fokus sollte jetzt auf präventiven Maßnahmen liegen", so die Vorsitzende der Kommission Strafrecht Leonie Steinl. Unerlässlich seien beispielsweise der Ausbau und die gesicherte, dauerhafte Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen und ihre diskriminierungsfreie Ausgestaltung und Ausstattung. Bundesweit sei außerdem ein interdisziplinäres Fallmanagement notwendig, das die bei verschiedenen Einrichtungen vorhandenen Informationen über eine individuelle Bedrohungslage zusammenführt. Ferner sollten die flächendeckende Täterarbeit und ihre Finanzierung ausgeweitet werden. Für die Identifizierung weiterer Präventionsmaßnahmen müsse außerdem die Daten- und Forschungslage zu geschlechtsspezifischer Gewalt verbessert werden. Die nun erfolgte Gesetzesänderung stelle daher nur einen Anfangsschritt dar, geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und zu bekämpfen.

Redaktion beck-aktuell, Miriam Montag, 23. Juni 2023.