Kretschmann und Söder machen sich für Impfpflicht stark
Inzwischen sind erste deutsche Ministerpräsidenten für eine Impfpflicht. So schrieben die Regierungschefs von Baden-Württemberg und Bayern, Winfried Kretschmann (Grüne) und Markus Söder (CSU) in einem gemeinsamen Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom Dienstag: "Eine Impfpflicht ist kein Verstoß gegen die Freiheitsrechte. Vielmehr ist sie die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Freiheit zurückgewinnen." Im ZDF-"heute journal" machte Kretschmann deutlich, dass er dies für verfassungskonform hält. Vor einigen Jahrzehnten habe es bereits eine Impfpflicht in Deutschland gegeben - und aktuell gebe es sie in abgeschwächter Form bei Masern. Zustimmung kam von den CDU-Regierungschefs Volker Bouffier aus Hessen, Daniel Günther aus Schleswig-Holstein und Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (ebenfalls CDU) mahnte eine gründliche Prüfung an. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sagte, eine Impfpflicht käme zu spät, um die vierte Corona-Welle zu stoppen, könne aber "für die Zukunft mit Blick auf die bundesweite Situation sicherlich" nicht ausgeschlossen werden. Gegen eine solche Impfpflicht sprachen sich Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans, der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) oder FDP-Fraktionsvize Michael Theurer aus.
Impflicht als milderes Mittel
Eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus wäre nach Ansicht des Staatsrechtlers Ulrich Battis vom Grundgesetz gedeckt. "Eine solche allgemeine Impfpflicht ist durchaus vertretbar - und zwar, um das Leben anderer Menschen zu schützen", sagte der Rechtswissenschaftler von der Berliner Humboldt-Universität der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag). Battis verwies auf Art. 2 GG, der den Schutz des Lebens anderer Menschen festlegt. "Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das ebenfalls der Art. 2 GG festschreibt, hat dahinter zurückzutreten." Der Saarbrücker Pharmazie-Professor Thorsten Lehr sagte "RTL direkt", im nächsten Frühjahr führe kein Weg an einer Impfpflicht vorbei. Sie könne die Lage "schlagartig" ändern. "Das Ende der Pandemie liegt mit der Impfpflicht in unseren Händen." Der Verwaltungsrechtler Hinnerk Wißmann von der Universität Münster sagte der "Welt", eine Impflicht sei das mildere Mittel, "wenn die Alternative ist, den freien Staat in Lockdown-Endlosschleifen abzuschaffen". Uwe Volkmann, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität Frankfurt, sagte, die "Eingriffstiefe sei geringer als "die andernfalls erforderlichen gravierenden Freiheitseinschränkungen".
Klarstellung: Impfpflicht, kein Impfzwang
Der Bielefelder Rechtsprofessor Franz C. Mayer sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Dienstag: "Die Freiheit der Einzelnen endet da, wo Freiheit und Gesundheit anderer in Gefahr sind - das ist hier der Fall, wenn die Impfkampagne nicht gelingt." Auch der Bochumer Verfassungs- und Gesundheitsrechtler Stefan Huster sieht die Politik in der Pflicht. "Wie lange will sich die Politik die Situation noch ansehen?" Unverhältnismäßig sei eine Impfpflicht nach Husters Ansicht nicht. "Wir haben lange genug über die Notwendigkeit einer Corona-Impfung diskutiert, doch die Impfquote steigt kaum an. Gutes Zureden hilft nicht mehr." Sowohl Huster als auch Mayer stellen aber klar, dass es um eine Impfpflicht und keinen Impfzwang ginge. Für Impfverweigerer seien ein Bußgeld oder gesetzliche Regelungen zum Verlust des Krankenversicherungsschutzes denkbar. Auch Ministerpräsident Kretschmann hält Bußgelder für möglich. Niemand werde im Gefängnis landen oder von der Polizei zum Impfen abgeholt.
Lehrerverband: Aus Teufelskreis von Lockerungen und Lockdowns ausbrechen
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sieht eine Impfpflicht als letztes Mittel an. Den Funke-Zeitungen sagte er mit Blick auf aktuelle Corona-Maßnahmen: "Wenn das alles nichts hilft und die allgemeine Impfquote nicht deutlich steigt, werden wir nach meiner persönlichen Überzeugung um eine allgemeine Impfpflicht nicht herumkommen, um endlich aus diesem Teufelskreis von Lockerungen und Lockdowns auszubrechen."
Heute Beratungen über schärfere Maßnahmen
An diesem Dienstag wollen mehrere Landeskabinette über schärfere Regeln beraten. In Bayern, Berlin und Brandenburg wollen die Landesregierungen entscheiden, auch in Niedersachsen soll eine neue Corona-Verordnung vorgestellt werden. Baden-Württemberg will voraussichtlich am Mittwoch bei allen Veranstaltungen in Kultur, Freizeit und Sport die Regel 2G plus einführen. Dann müssten auch Geimpfte und Genesene einen negativen Test vorweisen. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, erweiterte die Regierung aus Grünen und CDU ihren Katalog für schärfere Maßnahmen.