Die Ressortchefs der Länder haben ihre Konferenz in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin am Donnerstag beendet. Ein Schwerpunkt der Tagung lag auf den Befugnissen der Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden: Mit mehreren Beschlüssen setzen sie sich für Nachschärfungen bei der Telekommunikationsüberwachung, der Funkzellenauswertung ein. Das Problem, vor das verschlüsselte Chatnachrichten die Ermittler stellen, brachte die Idee neuer Durchsuchungs-Befugnisse auf.
Daneben haben sich die Ministerinnen und Minister auch mit der Digitalisierung der Justiz befasst und sich insoweit dafür ausgesprochen, den elektronischen Rechtsverkehr auszuweiten. Auch die Nachwuchsprobleme an Gerichten und bei Staatsanwaltschaften waren wieder Thema. Die Vorsitzende der 95. Justizministerkonferenz und Niedersächsische Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann zeigte sich zufrieden. Man habe wegweisende Vorhaben auf den Weg gebracht. Nun sei es am Gesetzgeber, die nächsten Schritte einzuleiten.
Geld aus Straftaten abschöpfen – Cannabis-Schwarzmarkt bekämpfen
Unter dem Punkt TOP II.3 nahmen sich die Ressortchefs die strafrechtliche Einziehung von Taterträgen in einem sehr speziellen Fall vor. Es ging um Einnahmen, die Straftäterinnen und -täter durch die öffentliche Zurschaustellung ihrer Taten – vornehmlich im Internet – erzielen. Dies dürfte unter anderem Fälle betreffen, in denen Aufnahmen von Straftaten über Videoplattformen verbreitet werden, etwa bei illegalen Straßenrennen oder auch Gewaltdelikten. Oft verdienen die Täterinnen und Täter hier an den erzielten Klicks.
Die JuMiKo stellt dazu in ihrem Beschluss fest, dass gegenwärtig eine Abschöpfung der so generierten Einnahmen nicht möglich und diese Lücke dringend zu schließen sei. Sie bat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses, dazu einen Vorschlag zu erarbeiten.
Erwartbar beschäftigten auch die durch die Cannabis-Legalisierung hervorgerufenen Friktionen die Justizchefs. Sie stellen fest, dass das Cannabisgesetz bei Verfahren des gewerbsmäßigen Handels mit Cannabisprodukten oder des Handels mit Cannabisprodukten in nicht geringer Menge zu einem Rückschritt geführt habe. Aus diesem Grund solle der Bundesminister der Justiz darauf hinwirken, "dass im Rahmen der bevorstehenden Evaluierung des Konsumcannabisgesetzes entsprechende Neuregelungen frühzeitig besonders in den Blick genommen werden".
Weil auf Cannabis bezogene Straftraten nicht mehr den Bestimmungen des BtMG unterlägen, seien bei Ermittlungsverfahren wegen den oben genannten Delikten Maßnahmen wie Telefonüberwachung, Onlinedurchsuchung oder die akustische Wohnraumüberwachung nicht mehr im gewohnten Rahmen zulässig.
Mehr Überwachung bei Telekommunikation, Funkzellen und Chats
Auch in anderen Bereichen spricht sich die JuMiKo für eine Nachschärfung von Überwachungsmaßnahmen im Strafverfahren aus, etwa bei der Telekommunikationsüberwachung bei sexuellen Übergriffen, sexueller Nötigung und Vergewaltigung. Die Justizministerinnen und -minister bekundeten, dass neben der gemeinschaftlichen Begehungsweise nach § 177 Absatz 6 Satz 2 Nr. 2 StGB auch das Regelbeispiel der Vergewaltigung durch einen Einzeltäter in den Straftatenkatalog des § 100a StPO aufzunehmen sei und auch eine Aufnahme der übrigen Begehungsweisen des § 177 StGB in den Katalog "prüfenswert" erscheine, womit sich nun ebenfalls Justizminister Volker Wissing befassen soll.
Eine weitere für die Ermittlungsbehörden wichtige Maßnahme ist die sogenannte Funkzellenauswertung, bei der sie Telekommunikationsverbindungsdaten abfragen, die in einer bestimmten Funkzelle zu einer bestimmten Zeit angefallen sind. Dabei werden keine Gesprächs- oder Nachrichteninhalte abgefragt, sondern nur Metadaten wie Rufnummern und Verbindungszeiten. Die Anforderungen hierfür sieht die JuMiKo ob ihrer bedeutenden Rolle bei der Aufklärung von Straftaten wie namentlich Schockanrufen und Enkeltrick-Betrugsfällen als zu hoch an.
Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin begrüßte die Annahme des unter anderem von ihm eingebrachten Beschlussvorschlags: "Betrugskriminalität findet schon lange fast vollständig im digitalen Bereich oder unter Einsatz von Telekommunikationsmitteln statt. (…) Wenn Straftaten wie bei Schockanrufen oder dem Enkeltrick mittels Telefonanrufen begangen werden, ist die sogenannte Funkzellenabfrage häufig der einzige erfolgversprechende Ermittlungsansatz."
Schließlich widmete sich die Konferenz auch der Auswertung von Chat-Nachrichten in Messenger-Diensten. Besonders verschlüsselte Dienste wie Telegram oder Signal machten den Ermittlerinnen und Ermittlern die Arbeit unnötig schwer, finden die Ressortchefs der Länder. Zwar gebe es mit der Quellen-TKÜ ein rechtliches Instrument, das bei schwerer Kriminalität eine Überwachung vor der Verschlüsselung bzw. nach der Entschlüsselung ermögliche. Der technische Aufwand und die rechtlichen Hürden seien jedoch hoch, weshalb sie in der Praxis kaum eine Rolle spiele. Aus diesem Grund besinnt man sich auf die physische Intervention und hält "eine Prüfung für geboten, ob die Schaffung eines gesetzlichen Betretungsrechts zur Wohnung des Beschuldigten zum Zwecke der Aufbringung von Software zielführend ist".
Unternehmen und Banken sollen elektronisch kommunizieren
Auf Antrag der Länder Bayern, Berlin und Schleswig-Holstein hat die JuMiKo diskutiert, wie die elektronische Kommunikation im Zivilprozess und bei der Zwangsvollstreckung ausgeweitet werden kann. Nach dem Willen der Ressortchefs sollen zukünftig auch Unternehmen in den elektronischen Rechtsverkehr einbezogen werden. Das war bereits 2023 und auch bei der Frühjahrskonferenz 2024 Thema bei der JuMiKo gewesen. Nun erneuern die Länder ihren Appell an den Bundesjustizminister, sich für einen erweiterten Nutzerkreis einzusetzen.
Zum einen sollen nach dem Beschluss Kreditinstitute, Versicherungen und große Kapitalgesellschaften dazu verpflichtet werden, elektronische Zustellungen entgegenzunehmen. Außerdem schlagen die Ministerinnen und Minister vor, den Kreis der aktiven Nutzer des elektronischen Rechtsverkehrs schrittweise zu vergrößern. Insbesondere Banken und Inkassodienstleister sollen verpflichtet werden, elektronisch zu kommunizieren.
Auch für Behörden soll es nach dem Willen der JuMiKo eine Verschärfung beim elektronischen Rechtsverkehr geben: §§ 135 und 137 der Grundbuchordnung sollen dahingehend angepasst werden, dass Behörden künftig zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr in Grundbuchsachen verpflichtet sind. Schließlich fordert die JuMiKo noch, das elektronische Empfangsbekenntnis abzuschaffen und Zugangsregelungen entsprechend anzupassen.
Rechtsstaatskampagne soll Personalmangel in der Justiz abhelfen
Der Personalmangel in der Justiz war bereits bei der Frühjahrskonferenz diskutiert worden. Dort entstand die Idee einer Rechtsstaatskampagne, die die Bedeutung der Justiz in den Mittelpunkt rücken, das gesellschaftliche Interesse an dieser beleben und mit der Darstellung ihrer vielfältigen Berufsmöglichkeiten zu einer effektiven Nachwuchsgewinnung beitragen soll.
Nun ging es um die Mittel für eine solche Kampagne, die unter anderem TV- und Kino-Werbespots enthalten soll. Die Justizministerinnen und Justizminister haben Niedersachsen mit Ausschreibung und Vergabe der Kampagne betraut. Das Budget, 130.000 Euro, solle von den Ländern bereitgestellt werden, die je nach Steueraufkommen und Bevölkerungszahl mehr oder weniger beitragen sollen. Nach dem Willen der JuMiKo soll sich auch der Bund finanziell beteiligen. Starten soll die Kampagne Ende 2025.
Abseits der Nachwuchsgewinnung ging es aber auch in einem anderen Tagesordnungspunkt um personelle Ressourcen: Bei der Verfolgung von Steuerstraftaten, insbesondere bei sogenannten Cum/Cum-Geschäften, bemängelte die JuMiKo fehlende personelle Kapazitäten. Sie forderte den Bund auf, hier mehr Unterstützung zu leisten.
JuMiKo will Rechtsbeistand bei Abschiebungshaft-Anhörung streichen
Migration und Asyl waren keine Schwerpunkte der Herbstkonferenz. Insgesamt behandeln drei von 34 Beschlüssen das Thema. Dennoch haben sich die Justizministerinnen und -minister auf einen Beschluss geeinigt, der in der Anwaltschaft für Aufsehen sorgen dürfte: Sie fordern den Bundesjustizminister auf, § 62d AufenthG zu streichen.
Nach § 62d AufenthG bestellt das Gericht von Amts wegen einen anwaltlichen Vertreter für Betroffene, wenn über die Anordnung von Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam entschieden wird. In der Praxis führe das zu einer Mehrbelastung der Justiz, so die Ministerinnen und Minister. Die Vorbereitung und Durchführung der Abschiebungshaftanhörungen werde durch die Bestellung eines Rechtsanwalts zeitintensiver sowie komplexer, heißt es in dem Beschluss. Ziel des Gesetzes sei aber gerade, Rückführungen zu erleichtern. Die bislang bestehenden Vorschriften zur Bestellung eines Verfahrenspflegers und zur Beiordnung eines Rechtsanwalts wahrten die Rechte der Betroffenen bereits ausreichend.
Auch abseits des deutschen Rechts ging es um den Schutz Vertriebener – konkret um Menschen aus der Ukraine. Sie genießen vorübergehenden Schutz auf Grundlage der Richtlinie 2001/55/EG (Massenzustrom-Richtlinie). Durch den Wegfall aufwändiger Einzelfallentscheidungen sollen die nationalen Asylsysteme entlastet werden. Zugleich setzt die EU-Richtlinie Mindeststandards beim Zugang zu sozialen Leitungen und zur Teilhabe am Arbeitsmarkt.
Der Rat der Europäischen Union hat am 25. Juni 2024, gestützt auf Art. 4 Abs. 2 der Massenzustrom-Richtlinie, beschlossen, den vorübergehenden Schutz bis zum 4. März 2026 zu verlängern. Die JuMiKo fragte sich bei ihrer Herbstkonferenz allerdings, was danach geschieht. Sollte der vorübergehende Schutz auslaufen, sah sie die Gefahr, dass eine Vielzahl der in Deutschland lebenden Ukrainerinnen und Ukrainer einen Asylantrag stellen werde. Der Bundesjustizminister solle sich deshalb in Europa um eine rechtzeitige Verlängerung bemühen.
Lücken bei DSA-Umsetzung schließen: Bußgelder für Plattformen
Schließlich haben sich die Ministerinnen und Minister auf Empfehlung Niedersachsens mit der Umsetzung des Digital Services Act befasst und bitten den Bundesjustizminister, die Sanktionsmöglichkeiten für große Plattformen zu erweitern. Konkret sieht Artikel 18 DSA vor, dass Anbieter, die Kenntnis von einer Straftat auf ihrer Plattform erlangen, dies unverzüglich an die Ermittlungsbehörden weitergeben müssen. Für Zuwiderhandlungen müssen die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 52 DSA wirksame Sanktionen vorsehen.
Das Digitale-Dienste-Gesetz, mit dem der DSA unter anderem umgesetzt wurde, enthalte allerdings keinen Bußgeldtatbestand für den Fall, dass Hostingdiensteanbieter gegen diese Meldepflicht verstoßen. Das soll der Gesetzgeber nach dem Beschluss der JuMiKo nun ändern. "Die Justizministerinnen und Justizminister erachten eine Sanktionsmöglichkeit für Verstöße gegen Artikel 18 DSA als entscheidend für eine effektive Durchsetzung der Meldepflicht der Hostingdiensteanbieter und damit für die konsequente Bekämpfung von Hass und Hetze im Internet", heißt es in dem Beschluss.