JuMiKo: Beschlüsse der Herbstkonferenz 2021
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© Roland Weihrauch / dpa

Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder haben am Donnerstag und Freitag zahlreiche Themen diskutiert und Beschlüsse gefasst: Neben der Stärkung und Weiterentwicklung von Videoverhandlungen in Gerichtsverfahren standen unter anderem der Pakt für den Rechtsstaat, besserer Schutz für ältere Menschen, härtere Strafen für Cybercrimes und die Digitalisierung im Zivilprozess auf dem Programm.

Videoverhandlungen weiter ausbauen

Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder setzen sich auf baden-württembergische Initiative nach einem mehrheitlichen Beschluss dafür ein, die verfahrensrechtlichen Grundlagen bei Videoverhandlungen zu optimieren. Geprüft werden solle, ob Gerichte künftig eine Videoverhandlung verbindlich anordnen dürfen (mit Widerspruchsmöglichkeit). Nach der aktuellen Rechtslage in § 128a ZPO könne das Gericht die Zuschaltung per Video von außen zwar gestatten, aber noch nicht verbindlich anordnen, kritisierte Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU). Dies könne dazu führen, dass die Verfahrensbeteiligten trotz einer solchen Gestattung im Sitzungssaal erscheinen. Hier sollte den Richterinnen und Richtern mehr Planungssicherheit gegeben werden.

Pakt für den Rechtsstaat

Einen einstimmigen Beschluss haben die Justizministerinnen und Justizminister beim Thema "Pakt für den Rechtsstaat" getroffen. Sie haben damit ihre Forderung unterstrichen, dass der Bund zeitnah mit den Ländern in Verhandlungen treten sollte, um über eine Verlängerung seines finanziellen Engagements zu Gunsten der Justiz zu verhandeln. "Durch Bundesgesetze kommen immer neue Aufgaben auf die Justiz in den Ländern zu. Wir sehen deshalb auch den Bund in der Verantwortung, den Rechtsstaat und das Vertrauen in den Rechtsstaat finanziell zu stärken", sagte Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU). Ein neuer Pakt sollte dabei auch das Mammutprojekt der Digitalisierung einschließlich des hieraus entstehenden Personalbedarfs in den Blick nehmen, fordert sie.

Besserer Schutz älterer Menschen

Die Justizminister der Länder haben sich auf Initiative Bayerns für Änderungen im Strafrecht zum besseren Schutz älterer Menschen vor Vermögenskriminalität ausgesprochen. Der bayerische Antrag sieht unter anderem eine erhöhte Mindeststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe (bisher ein Jahr) für Fälle von organisiertem Callcenter-Betrug (beispielsweise "Falsche Polizisten") vor. In Fällen von Haus- und Familienuntreue soll die Staatsanwaltschaft künftig selbstständig und nicht – wie bisher – nur auf Strafantrag ermitteln können.

Missbräuchlicher Widerruf von Vorsorgevollmachten

Eine weitere Initiative Bayerns sieht vor, Seniorinnen und Senioren vor einem missbräuchlichen Widerruf von Vorsorgevollmachten zu schützen. Das geltende Recht weise bislang folgende Schutzlücke auf: Dritte würden sich das Vertrauen eines Vollmachtgebers erschleichen und sich eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilen lassen. Mit Hilfe dieser Vorsorgevollmacht widerrufe der Dritte weitere Vorsorgevollmachten zugunsten der Angehörigen des mittlerweile geschäftsunfähigen Vollmachtgebers und übe seine Vollmacht unkontrolliert zum Nachteil des Vollmachtgebers aus. Diesem Missstand solle durch einen gesetzlichen Ausschluss des Rechts von Bevollmächtigten, andere Vorsorgevollmachten zu widerrufen, abgeholfen werden.

Härtere Strafen bei Cybercrimes

Die Justizministerinnen und -minister unterstützen zudem die Forderung Bayerns nach einer Reform des Cyberstrafrechts, das teilweise noch aus den 1980er Jahren stammt. Der Bund will unter anderem prüfen, ob die Tatbestände und Strafrahmen des Cyberstrafrechts den aktuellen Entwicklungen noch ausreichend gerecht werden und den Unrechtsgehalt der Taten ausreichend widerspiegeln. Gleichzeitig solle geprüft werden, ob den Strafverfolgungsbehörden geeignete und verhältnismäßige Ermittlungsinstrumente zur Verfügung stehen, um diese Delikte effektiv verfolgen zu können.

Gerichte bei Massenverfahren entlasten

Auf Initiative Bayerns hat die Konferenz den Bundesgesetzgeber zudem aufgefordert, ein umfassendes Reformpaket zur Bewältigung zivilgerichtlicher Massenverfahren zu verabschieden. Mieten, Flüge, Diesel-Klagen: Immer mehr Bürgerinnen und Bürger, die sich früher an einen Rechtsanwalt gewandt haben, würden nun aktiv von spezialisierten Kanzleien oder Inkassodienstleistern online über Legal-Tech-Tools umworben. Die zunehmende Zahl der Massenverfahren führe zu erheblichen Mehrbelastungen der Zivilgerichte. Es seien hier gesetzgeberische Maßnahmen notwendig, da die Bearbeitung von Massenverfahren innerhalb des engen Korsetts der geltenden Rechtslage nicht effizient möglich sei.

Digitalisierung im Zivilprozess

Angestoßen von Hessen und Bayern will sich die Konferenz dafür einsetzen, dass es dringend einer Modernisierung und Digitalisierung des Zivilprozesses bedarf. Der Rechtsschutz von Bürgerinnen und Bürgern soll weiter verbessert und die zivilgerichtlichen Verfahren sollen beschleunigt und noch effektiver gestaltet werden. Bereits im vergangenen Jahr wurde der Beschluss gefasst, dass das Bundesjustizministerium eine Kommission zu dem Reformvorhaben einsetzen soll. Dies sei bisher nur unzureichend geschehen. "Die ZPO ist für die Papierakte geschrieben worden, nicht für die E-Akte“, sagte Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU).

Rechtssicherheit für Unternehmen bei Naturkatastrophen

Der Gesetzgeber hatte in den vergangenen Jahren auf die Hochwasser- und Starkregenereignisse reagiert, indem er in einem Eilverfahren und mit rückwirkender Wirkung eine vorübergehende Aussetzung beziehungsweise Unterbrechung der gesetzlichen Insolvenzantragsfrist angeordnet hat. Die Konferenz unterstützt einen Antrag Bayerns, der durch eine allgemeine, für alle künftigen Fälle geltende Regelung zur Insolvenzantragspflicht bei Naturkatastrophen nachhaltig mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen schaffen will.

Keine verurteilten Vorsatz-Täter im Schöffenamt

Bislang ist für einen Ausschluss vom Schöffenamt unter anderem eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten erforderlich. Auf Initiative Bayerns soll der Bund nun prüfen, ob diese hohe Hürde abgesenkt werden sollte, etwa wenn eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat vorliegt.

Redaktion beck-aktuell, 12. November 2021.