Jugendausschuss: Geteiltes Expertenecho auf geplante Novellierung des Jugendmedienschutzes

Die von der Bundesregierung geplante Änderung des Jugendschutzgesetzes stößt bei Sachverständigen auf ein geteiltes Echo. Dies hat eine Anhörung des Jugendausschusses des Bundestags am 11.01.2021 gezeigt, wie der parlamentarische Pressedienst berichtet. Während die einen den Weg zu einem zeitgemäßen Jugendschutz geebnet sehen und etwa den Vorsorgeansatz begrüßen, kritisieren andere den Entwurf als ungenügend und als schlechten Kompromiss.

Besserer Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Medieninhalten

Ziel der Novelle (BT-Drs. 19/24909) ist es, den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet und in den sozialen Medien zu verbessern. Dazu sollen die Anbieter von Internetdiensten verpflichtet werden, Vorkehrungen zu treffen, damit Kinder und Jugendliche vor sogenannten Interaktionsrisiken wie Mobbing, sexueller Belästigung, Tracking oder Kostenfallen geschützt werden. Vorgesehen sind zudem einfache Melde- und Beschwerdemöglichkeiten für Kinder- und Jugendliche. Zur Durchsetzung der Auflagen sieht die Gesetzesvorlage hohe Bußgelder bei Verstößen auch gegen Anbieter im Ausland vor. Darüber hinaus sollen die Alterskennzeichnungen für Computerspiele und Filme vereinheitlicht und so geändert werden, dass sie Eltern, Fachkräften und den Kinder und Jugendlichen selbst eine nachvollziehbare Orientierung bieten.

Deutsches Kinderhilfswerk fordert verpflichtende Jugendschutzvoreinstellungen

Zuspruch für die geplante Neuregelung kam von Torsten Krause vom Deutschen Kinderhilfswerk. Die Erweiterung der Schutzziele in den §§ 10a und 10b sei zu unterstützen, sagte er. Die Aufnahme von Interaktionsrisiken in das Gesetz böte eine geeignete Grundlage dafür, Gefährdungen zu unterbinden und Verstöße zu sanktionieren. Bezüglich der Jugendschutzvoreinstellungen plädierte Krause für eine Verschärfung des Entwurfes "hin zu einer Verpflichtung der Anbieter".

Innocence in Danger kritisiert Befreiung von Kennzeichnungs- und Vorsorgepflicht für kleine Film- und Spieleplattformen

Auch Julia von Weiler vom Verein "Innocence in Danger" begrüßte den Entwurf. Es sei richtig, Anbieter stärker in die Pflicht zu nehmen. Immer wieder darauf zu verweisen, die Medienkompetenz der Kinder und Jugendlichen müsse gestärkt werden, "dann wird schon alles gut", reiche nicht aus, betonte sie. Richtig sei es auch, dass die Games, anders als im Netzwerkdurchsetzungsgesetz, in die Regelung aufgenommen werden sollen. In Übereinstimmung mit Kinderhilfswerk-Vertreter Krause kritisierte von Weiler, dass eine Befreiung von der Kennzeichnungs- und Vorsorgepflicht bei Film- und Spieleplattformen, die weniger als eine Million Nutzer haben, geplant sei. "Diese Logik kapiere ich nicht", sagte sie. Krause hatte zuvor gesagt: Niemand käme auf die Idee, eine kleine Kneipe aufgrund ihrer Größe von der Auflage zu befreien, keinen Alkohol an Kinder oder Jugendliche auszuschenken.

Stiftung Digitale Chancen begrüßt Entwurf

Ein positives Fazit zog Jutta Croll von der Stiftung Digitale Chancen. "Mit der Novellierung sind wir auf dem Weg zu einem zeitgemäßen Jugendschutz, der sich in ein übergreifendes rechtliches Umfeld einordnet", befand sie. Es würden gesetzlich klare und verlässliche Strukturen für ein kohärentes und effektives Miteinander im Rahmen der Verantwortungsgemeinschaft von Bund und Ländern für den Kinder- und Jugendmedienschutz geschaffen.

Paritätischer Wohlfahrtsverband Sachsen: Förderung der Medienbildung gewährleisten

Carsten Schöne vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Sachsen bemängelte, dass das Ziel des Gesetzes im § 10 "versteckt" sei. Es gehöre aber gleich in den Paragrafen eins. Sinnvoll wäre es aus seiner Sicht auch, die Ziele des Jugendschutzgesetzes mit Aufträgen an die Länder und die Gebietskörperschaften zu kombinieren, um eine Förderung der Medienbildung sicherzustellen. "Das greift nicht in die Selbstverwaltung der Kommunen ein", urteilte er.

Private Medien: Unnötige Doppelregulierung und ungerechtfertigte Ungleichbehandlung

Annette Kümmel vom Verband Privater Medien (Vaunet) und Felix Falk vom Verband der deutschen Games-Branche halten das Gesetz in seiner jetzigen Form hingegen für untauglich. Der Entwurf verfehle das Ziel des Koalitionsvertrages von Union und SPD, ein kohärentes Jugendschutzsystem zu schaffen, kritisierte Kümmel. "Der ohnehin schon sehr komplexe deutsche Jugendmedienschutz wird noch komplizierter, ohne dass das Schutzniveaus signifikant verbessert wird", sagte sie. Der Entwurf bedeute zudem für die privaten Medienanbieter eine unnötige Doppelregulierung, "aber auch eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung".

Games-Branche: System der Selbstkontrolle stärken

Aus Sicht von Felix Falk ist es auch "kein Wunder", dass der Entwurf sein Ziel verfehle, da sich Bund und Länder nicht auf gemeinschaftliche Regelungen "aus einer Hand" hätten einigen können. Folge dessen sie ein schlechter Kompromiss, der auf Kosten von Eltern, Kindern und Anbietern gehe. "Auf dem schon bestehenden Flickenteppich im Kinder- und Jugendmedienschutz kommen jetzt noch ein paar Flicken hinzu", sagte er. Falk forderte eine Stärkung des Systems der Selbstkontrolle. Korrekturen brauche es auch im Zusammenhang mit den Interaktionsrisiken.

Hochschulprofessor: Marginale Änderungen, kaum Auswirkungen zu erwarten

Professor Marc Liesching von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig räumte ein, dass die Regulierung des Jugendmedienschutzes in Deutschland aufgrund der Aufteilung der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern eine besondere Herausforderung darstellt. Daher könnten bei gesetzgeberischen Alleingängen seitens des Bundes - wie der Länder - keine umfassenden regulatorischen Lösungen für die digitale, konvergente Medienrealität erwartet werden. Mit dem vorliegenden Entwurf würden nur marginale Veränderungen im bestehenden Jugendschutzsystem vorgenommen, sagte Liesching. Diese würden seiner Einschätzung nach "keine oder allenfalls geringe praktische Auswirkungen im Bereich des Jugendmedienschutzes zeitigen".

Hans-Bredow-Institut: Richtige Risikoverschiebung durch Vorsorgeansatz

Nach Ansicht von Professor Wolfgang Schulz vom Leibnitz-Institut für Medienforschung Hamburg adressiert der Entwurf "die richtige Risikoverschiebung". Mit dem Vorsorgeansatz sei die Bundesregierung auf einem Weg, "den wir wissenschaftlich auch für plausibel halten". Die fehlende Abstimmung zwischen Bundes- und Landesregelungen lasse es aber offen erscheinen, "wie viel davon tatsächlich auf die Straße kommt".

Redaktion beck-aktuell, 12. Januar 2021.