Jobcenter muss Kosten für Berufsschulkleidung übernehmen

Das Jobcenter muss Anschaffungskosten für Berufsschulkleidung – unabhängig von der gesetzlichen Schulbedarfspauschale – vollständig übernehmen. Dies hat mit Urteil vom 26.05.2020 das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen erstmalig entschieden und auf eine offensichtliche Bedarfsunterdeckung in SGB II verwiesen, die mit der Menschenwürde nicht vereinbar sei. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat das LSG die Revision zugelassen.

Streit um Kosten für Kochbekleidung

Geklagt hatte ein 17-jähriger Schüler, dessen Familie Hartz-IV-Leistungen bezieht. Er interessierte sich für den Kochberuf und brauchte zu Beginn der Berufseinstiegsschule eine Bekleidungsgarnitur. Ein neues Set kostete 115 Euro von Mütze bis Schuh. Eine Leihe war nicht möglich. Den Kaufpreis wollte der Schüler erstattet haben, da er den zusätzlichen Bedarf nicht anders decken konnte.

Jobcenter verweist auf Schulbedarfspauschale

Das Jobcenter lehnte den Antrag ab und führte dazu aus, dass der junge Mann bereits Pauschalbeträge für den Schulbedarf erhalten habe. Hiervon seien sämtliche Gegenstände erfasst, die für den Schulbesuch erforderlich seien. Weitere Beihilfen seien gesetzlich nicht vorgesehen. Alles Weitere müsse aus dem Regelbedarf bestritten werden.

LSG sieht evidente Bedarfsunterdeckung

Das LSG hat das Jobcenter zur Übernahme der Kosten verurteilt. Die Anschaffungskosten für schulische Berufskleidung seien nicht auskömmlich vom Regelbedarf gedeckt. Ein hilfebedürftiger 17-Jähriger erhalte eine monatliche Regelleistung von 306 Euro. Davon ließen sich die Kosten nicht ansparen. Es liege daher eine evidente Bedarfsunterdeckung vor, womit das menschenwürdige Existenzminimum nicht gewährleistet werde.

Schulbedarfspauschale greift nicht

Berufskleidung werde auch nicht von der Schulbedarfspauschale erfasst, so das LSG weiter. Denn hierzu zählten nur persönliche Ausstattung wie Ranzen und Turnzeug sowie Gebrauchsmaterial zum Schreiben, Rechnen und Zeichnen.

Bedarfslücke durch verfassungskonforme Auslegung zu schließen

Die hiernach verbleibende Bedarfslücke sei durch eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes zu schließen. Denn der Gesetzgeber sei erkennbar gewillt gewesen, das Existenzminimum von Schülern zu decken. Da dies mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht möglich sei, müsse die Lücke vom Gericht geschlossen werden.

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.05.2020 - L 11 AS 793/18

Redaktion beck-aktuell, 22. Juni 2020.