Inanspruchnahme von Gerichten oft entbehrlich
"In den allermeisten Fällen geben die Unternehmen eine Unterlassungsverpflichtung gegenüber der Wettbewerbszentrale ab. Die Selbstkontrolle der Wirtschaft muss also nur in relativ wenigen Fällen zu Gericht ziehen, um eine unzulässige Werbung verbieten zu lassen", erklärt Reiner Münker, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale. Im Jahr 2017 hat die Wettbewerbszentrale insgesamt knapp 590 Gerichtsverfahren geführt. Viele Verfahren sind noch anhängig, 292 Verfahren sind 2017 abgeschlossen worden. Davon hat die Wettbewerbszentrale sich in gut 90% der Fälle durchsetzen und so rechtswidrige Praktiken verbieten lassen können.
Grundsatzverfahren für mehr Rechtssicherheit
Nicht immer seien die Regelungen klar und eindeutig, so die Wettbewerbszentrale. Dann müsse bis zum Bundesgerichtshof oder dem Europäischen Gerichtshof geklärt werden, was zulässig ist und was nicht. Mehrere von der Wettbewerbszentrale geführte Grundsatzverfahren seien so beim EuGH zur Entscheidung gelandet. Dabei habe die Wettbewerbszentrale in einem Fall durchsetzen können, dass Onlinehändler, die Bio-Lebensmittel vertreiben, eine entsprechende Bio-Zertifizierung nach der EG-Öko-Verordnung vorweisen müssen (LMuR 2017, 197). In einem anderen – noch anhängigen – Fall gehe es um die Kennzeichnung von Kultur-Champignons: Die Wettbewerbszentrale habe die Kennzeichnung einer im Supermarkt erhältlichen Packung Kultur-Champignons mit "Ursprung: Deutschland" als irreführend beanstandet. Die Kultur-Champignons seien mehrere Wochen in den Niederlanden aufgezogen und nur für die Ernte (gut zwei Tage vorher) nach Deutschland transportiert worden. Das OLG Stuttgart entschied, dass die Kennzeichnung in der Tat die Verbraucher irreführen könne, sah sich jedoch gehindert, ein Verbot auszusprechen, da die Pilze gemäß Art. 23 Zollkodex leider genauso zu kennzeichnen seien (GRUR-RS 2016, 18364). Der von der Wettbewerbszentrale angerufene BGH habe den Widerspruch zwischen Verbraucherschutz und Zollkodex erkannt und die Sache dem EuGH vorgelegt (GRUR 2018, 104). "Wir – wie auch die Wettbewerber – finden es schon wichtig, dass in Holland aufgezogene Pilze nicht unter dem Siegel ‚Ursprung: Deutschland' vermarktet werden und der Verbraucher so irregeführt wird", betont Münker und hofft auf eine entsprechende Klärung durch den EuGH.
Viele Beschwerden wegen Zahlungsentgelten
Münker berichtete über Beschwerdestellen, die im Zusammenhang mit der Regulierung von SEPA-Lastschriftverfahren sowie Zahlungsentgelten bei der Wettbewerbszentrale eingerichtet wurden: Auf der im Januar 2018 eröffneten Beschwerdestelle zu unzulässigen Zahlungsentgelten seien bisher mehr als 160 Beschwerden eingegangen. Etliche Unternehmen aus verschiedensten Branchen verlangten für unbare Zahlmöglichkeiten wie zum Beispiel Lastschrift oder Kreditkarte ein Entgelt, obwohl dies seit dem 13.01.2018 verboten ist. Seit Eröffnung der Beschwerdestelle zu SEPA-Diskriminierungen im Mai 2017 seien bei der Wettbewerbszentrale mehr als 200 Beschwerden über Verstöße gegen die europäische SEPA-Verordnung eingegangen. Diese richteten sich gegen Unternehmen aus den verschiedensten Branchen wie zum Beispiel Finanzdienstleister, Touristikunternehmen, Energieversorger, aber auch Lebensmittelhersteller oder Krankenkassen. Die Wettbewerbszentrale hat zu dieser Thematik eigenen Angaben zufolge bislang 97 Abmahnungen ausgesprochen. In 95 Fällen habe es außergerichtliche Einigungen gegeben. Gegen die Airline easyJet und die Versandapotheke DocMorris in den Niederlanden habe die Wettbewerbszentrale allerdings Klage zum Landgericht Frankfurt (Az.: 3-08 O 160/17) beziehungsweise LG Köln einreichen müssen.
Influencer-Marketing und Vergleichsportale unter Beobachtung
Derzeit beschäftigten die Wettbewerbszentrale weiter Fragen rund um das sogenannte Influencer-Marketing. Dagegen sei nichts einzuwenden, wenn den Nutzern transparent erklärt wird, dass Werbung stattfindet und Geld verdient wird. Geschehe das aber nicht, handelten die Influencer und die dahinter stehenden Unternehmen rechtswidrig. Nachdem die Wettbewerbszentrale im Oktober 2017 einen Leitfaden zur Kennzeichnung von Werbung auf Instagram veröffentlicht hatte, habe sie nun einige Instagram-Fälle aufgegriffen und elf Abmahnungen wegen unzureichender Werbekennzeichnung bei Influencer-Marketing ausgesprochen. Intransparenz ist laut Wettbewerbszentrale nach wie vor auch auf Internetportalen, insbesondere Vergleichs- und Vermittlungsportalen festzustellen. "Nur wenige Portale sind ja völlig uneigennützig ganz im Dienste der Verbraucher unterwegs", erklärte Münker. Dagegen gebe es viele Portale, die letztlich nichts anderes seien als Marketinginstrumente der Provision zahlenden Drittanbieter.