Netanjahu lehnt Kompromissvorschlag ab
Herzog sagte am 15.03.2023 in einer Ansprache, Veränderungen in der Machtverteilung zwischen den drei Gewalten seien zwar notwendig. Dazu sei jedoch ein breiter Konsens nötig. Während die Opposition Gesprächsbereitschaft signalisierte, wies Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Kompromissvorschlag vor seiner Abreise nach Berlin zurück. Er zementiere nur den gegenwärtigen Zustand und bringe keinen Ausgleich, sagte er nach Medienberichten. Netanjahus rechts-religiöse Regierung will die kontroverse Reform bis Ende des Monats im Schnellverfahren durchsetzen. Kernelemente wurden bereits in erster Lesung im Parlament gebilligt. Ziel der Reform ist die gezielte Schwächung der unabhängigen Justiz. Kritiker sehen dadurch die Gewaltenteilung als Pfeiler der Demokratie in Gefahr. Seit mehr als zwei Monaten gibt es massive Proteste gegen die Justizreform. Netanjahu will sich heute in Berlin mit Bundeskanzler Olaf Scholz treffen.
Herzog: "Wir stehen am Abgrund"
Herzog sagte zum Streit über die Justizreform, er habe in den vergangenen Wochen mit Tausenden von Menschen auf beiden Seiten gesprochen. "Ich habe echten Hass gehört", warnte er. "Wer glaubt, dass ein echter Bruderkrieg eine Grenze ist, an die wir nicht gelangen werden, hat keine Ahnung. Wir stehen am Abgrund." Die schwere Krise sei aber auch eine Gelegenheit, einen besseren Ausgleich zwischen den Gewalten zu finden. Die meisten israelischen Bürger wünschten sich eine dauerhafte Regelung. Bei der Ernennung der Richter sei mehr Vielfalt notwendig. Die verschiedenen Bevölkerungsgruppen müssten stärker vertreten sein. "Das Land darf nicht zerstört werden", mahnte er gleichzeitig und forderte eine tiefgreifende Debatte über seinen Vorschlag.
Erneut zahlreiche Proteste in Israel
Am Tag des Berlin-Besuchs von Netanjahu haben am Donnerstag in Israel erneut Tausende Menschen gegen die Justizreform protestiert. In der Küstenstadt Tel Aviv demonstrierten die Menschen an mehreren Orten. Teilweise kam es dabei zu Handgreiflichkeiten mit der Polizei. Die Demonstranten blockierten die zentrale Verbindungsstraße nach Jerusalem. Es gab zudem mehrere Vorfälle mit Attacken von Passanten oder Autofahrern auf Demonstranten. Bereits in der Nacht zeichneten Künstler in Jerusalem eine dicke rote Linie auf der Straße, die zum Höchsten Gericht führt. Diese sollte die Verbindung zwischen einer unabhängigen Justiz und der Meinungsfreiheit symbolisieren. Fünf Künstler wurden nach Polizeiangaben festgenommen. Reservisten der israelischen Marine blockierten unterdessen den Hafen der Küstenstadt Haifa mit Booten. "Die Marine wird nicht in eine Diktatur segeln", hieß es auf großen Bannern entlang der Boote. In der strengreligiösen Stadt Bnei Brak eröffneten andere Reservisten eine "Musterungsstelle". Sie seien gekommen, "um die Last der Wehrpflicht an die ultra-orthodoxe Bevölkerung zu übergeben", teilten sie nach Medienberichten mit. Ohne Demokratie werde es keine Volksarmee geben. Viele junge strengreligiöse Männer in Israel sind nicht bereit, in der Armee zu dienen. Dies sorgt in anderen Bevölkerungsteilen für großen Zorn. Auch vor der deutschen Botschaft in Tel Aviv versammelten sich Demonstranten.