Zwar sei Deutschland für Siemens nicht generell außen vor bei Investitionsentscheidungen. "Aber es gibt kein Wachstum in Deutschland, Wachstum gibt es in anderen Ländern, und steuerlich sieht es halt auch nicht besonders dolle aus", sagte Kaeser. Deshalb seien die Investitionen von Siemens zuletzt größtenteils im Ausland erfolgt.
Die Experten wurden zu einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion befragt, der Steuersenkungen, Vereinfachungen im Steuerrecht und Entbürokratisierung vorsieht, um das Wirtschaftswachstum in Deutschland anzukurbeln. Unter anderem soll die Steuerbelastung für thesaurierte Gewinne auf 25% sinken.
Für keine gute Idee hält das Christoph Trautvetter vom Verein zur Förderung der Steuergerechtigkeit. Der Vorschlag ziele vor allem auf jene, die Milliardengewinne aufgebaut hätten, kritisierte der auf Vorschlag der SPD-Fraktion geladene Experte. "Es würde mehr Sinn machen, Zukunftsinvestitionen anzureizen".
Bürokratie als größtes Problem geoutet
Einig waren sich die geladenen Sachverständigen weitgehend, dass Bürokratie das größte Problem im deutschen Steuerrecht ist. Die Steuerhöhe sei nur ein Baustein, so Deborah Schanz, Vorstand des Instituts für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München und geladen auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion.
Auch Rainer Kambeck von der Deutschen Industrie- und Handelskammer, geladen auf Vorschlag der FDP-Fraktion, sagte, dass Bürokratie, auch Steuerbürokratie, für viele Unternehmen die größte Herausforderung sei. Dem Steuersatz schreibt er eine Signalwirkung im internationalen Wettbewerb zu. Deswegen seien 25% eine richtige Zielgröße.
Sebastian Eichfelder, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, geladen auf Vorschlag der Bündnisgrünen, stellte die Bedeutung des Steuersatzes dagegen infrage: "Der empirische Zusammenhang zwischen langfristigem Wachstum und Steuersätzen ist mau." Niedrigere Steuersätze hätten lediglich einen moderaten Effekt auf die privaten Investitionen. Allerdings sei "ein negativer Effekt auf die öffentlichen Investitionen" möglich, wenn der Staat geringere Steuereinnahmen verzeichne. Fraglich sei, ob Deutschland sich das derzeit leisten könne. Die Bürokratie sei aber jedenfalls "ein enormes Problem".
"Die Bürokratiekosten sind exorbitant hoch, wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig", stimmte auch Torsten Moser vom Institut der Wirtschaftsprüfer Deutschland, geladen auf Initiative der CDU/CSU-Fraktion, zu. Er regte an, die Begrenzung von Abzugsfähigkeiten zu hinterfragen, etwa die sogenannten Lizenz- und Zinsschranken. In diesem Zusammenhang verwies er auf die internationale Mindeststeuer. Diese soll bereits verhindern, dass Unternehmen Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagern. Hier könne es auch eine Entfristung der sogenannten Safe-Harbour-Regelung geben, schlug Moser vor.
Das Ziel: Weniger Komplexität, mehr Digitalisierung
Erik Röder, Professor für Unternehmenssteuerrecht an der Universität Mannheim, sprach sich unter anderem dafür aus, dass Kapitalgesellschaften optieren können sollten, sich wie Personengesellschaften besteuern zu lassen. Das würde vor allem jungen Unternehmen helfen, also Startups. Außerdem führte Röder Probleme im Zusammenhang mit Sonderbetriebsvermögen bei Personengesellschaften an. Diese erschwerten oftmals Umstrukturierungen. "Oft weiß man gar nicht, dass man Sonderbetriebsvermögen hat".
Florian Köbler von der Deutschen Steuergewerkschaft, geladen auf Vorschlag der SPD-Fraktion, ging auf ein weiteres Problem ein. Er thematisierte die Altersstruktur "im steuerlichen Ökosystem". Sowohl in der Steuerverwaltung als auch im Bereich der Steuerberater zeichne sich ein Fachkräftemangel ab. Die Lösung bestehe aber wohl nicht nur in mehr Personal. "Wir brauchen eine Reduzierung der Komplexität, wir brauchen endlich eine gute Digitalisierung in Deutschland", verlangte Köbler.