Internationaler Seegerichtshof fordert von Russland Freilassung festgenommener ukrainischer Matrosen

Seit Monaten sitzen 24 ukrainische Matrosen in russischer Haft. Moskau und Kiew streiten unerbittlich über ihre Freilassung. Nun hat der internationale Seegerichtshof in Hamburg die Freilassung der Matrosen gefordert und damit heftige Kritik in Russland ausgelöst. Das Urteil sei nicht rechtmäßig, weil der Fall nicht in die Zuständigkeit des UN-Gerichts falle, sagte der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow.

Russland soll auch beschlagnahmte Schiffe an Ukraine zurückgeben

Richter Jin-Hyun Paik hatte am 25.05.2019 angeordnet, dass Russland neben der Freilassung der Matrosen auch drei beschlagnahmte Schiffe an die Ukraine zurückgeben müsse. Dass Moskau diese Anordnungen sofort umsetzen wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Russland hatte den Prozess boykottiert.

Matrosen seit 2018 in Haft

Die Matrosen waren 2018 bei dem Versuch, aus dem Schwarzen Meer ins Asowsche Meer zu gelangen, von der russischen Küstenwache gewaltsam gestoppt und festgesetzt worden. Die Männer sitzen seitdem in Moskau im Gefängnis. Ihnen drohen bis zu sechs Jahre Haft. Hintergrund des Streits ist auch die komplizierte Lage nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahr 2014. Sowohl die Ukraine als auch Russland nutzen das Asowsche Meer. Russland betrachtet die Meerenge von Kertsch aber als sein Hoheitsgebiet. Deswegen will Moskau die Seeleute wegen Verletzung der Staatsgrenze vor Gericht bringen. Kiew sieht die Festgenommenen jedoch als Kriegsgefangene an. Gleichzeitig gibt es in der Ukraine Stimmen, dass Ex-Präsident Petro Poroschenko den Zwischenfall provoziert habe. 

Neue ukrainischer Präsident hält Entscheidung Moskaus für richtungsweisend

Eine Freilassung durch Moskau könnte ein wichtiges Signal zur Entspannung der zerrütteten Beziehungen sein, schrieb der neue ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Facebook. So könne Russland zeigen, ob es ernsthaft an einer Lösung des Konflikts mit dem Nachbarland interessiert sei. "Mal sehen, welchen Weg der Kreml wählen wird", schrieb er weiter. Selenskyj hatte nach seinem Wahlsieg die Freilassung der Seeleute zu seiner wichtigsten Aufgabe erklärt.

Russland hält internationalen Seegerichtshof für unzuständig

Das russische Außenministerium betonte unmittelbar nach der Urteilsverkündung, dass Moskau weiter nicht an dem Verfahren teilnehmen wolle. Grund sei, dass militärische Aktivitäten durch Schiffe und Flugzeuge der Regierung nach der UN-Seerechtskonvention nicht unter die Zuständigkeit des Gerichts fielen, hieß es. Das Tribunal, das über die Einhaltung der Konvention wacht, sieht dies nicht so: Es handle sich bei dem Zwischenfall nicht um eine militärische Aktion, sagte der Richter. Ebenso sei die Gewaltanwendung durch die russischen Behörden eher als Rechtsdurchsetzung zu sehen und nicht als militärische Aktion.

Seegerichtshof: Russland muss Forderungen nachkommen

Russland ist laut Konvention verpflichtet, sich an das Urteil des Gerichts zu halten. Sanktionen kann das Tribunal allerdings nicht verhängen. Nach Ansicht der russischen Politologin Kira Sasonowa kann Moskau das Urteil nicht umsetzen, weil die Entscheidung die nationale Souveränität und Sicherheit nicht berücksichtige. "Deshalb muss sich Russland keine Sorgen machen und kann sich entspannen", sagte sie der Agentur Ria Nowosti. Beide Seiten sollten nun keine zusätzlichen Maßnahmen veranlassen, um die extrem angespannte Situation weiter zu verschärfen, sagte der UN-Richter. Russland sei verpflichtet, den Forderungen nachzukommen. Bis 25.06.2019 müssten die Ukraine und Russland Hamburg darüber berichten.

Bundesregierung hatte sich im Vorfeld für friedliche Lösung eingesetzt

Zuvor hatte sich die Bundesregierung für die Freilassung der Seeleute und eine friedliche Lösung eingesetzt. Der Grünen-Politiker Manuel Sarrazin sagte, Deutschland müsse die Umsetzung des Urteils einfordern. Zudem zeige sich nun, "ob der Kreml überhaupt an der Einhaltung von internationalem Recht interessiert ist". Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, erklärte: "Weder die Krim noch das Asowsche Meer noch die Ostukraine sind legitimes Aktions- und Herrschaftsgebiet Russlands."

Redaktion beck-aktuell, 27. Mai 2019 (dpa).