Internationaler Gerichtshof: Russland muss Krieg in Ukraine stoppen
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© Daniel Kalker / picture alliance
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Knapp drei Wochen nach Beginn der Invasion Russlands in die Ukraine haben die höchsten Richter der Vereinten Nationen angeordnet, dass Russland sofort die militärische Gewalt beenden muss. Der Internationale Gerichtshof gab gestern in Den Haag einer Klage der Ukraine gegen Russland statt. Doch bezweifeln Experten, ob es zu einem Ende der Kämpfe führen wird. Russland selbst blieb der Verlesung der Entscheidung im Friedenspalast demonstrativ fern.

IGH: Russland muss Kriegshandlungen sofort einstellen

Die Gewalt müsse sofort enden, sagte die Präsidentin des Gerichtes, Joan Donoghue. Dieser Einsatz führe zu unzähligen Toten und Verletzten. "Das Gericht ist sich bewusst über das Ausmaß der menschlichen Tragödie, die sich in der Ukraine vollzieht." Die Entscheidung des Gerichtshofs ist das erste Urteil eines internationalen Gerichtes nach der Invasion vor knapp drei Wochen. Es ist eine ungewöhnlich klare Entscheidung der 15 höchsten Richter - nur die Richter aus China und Russland stimmten dagegen. Die Ukraine hatte das Dringlichkeitsverfahren angestrengt und Sofortmaßnahmen gegen Russland gefordert. Das Gericht ordnete auch an, dass Russland dafür sorgen muss, dass andere militärische Gruppen wie die Separatisten in der Ostukraine die Gewalt beenden.

Entscheidung stellt wichtiges Signal dar

Doch Experten bezweifeln, dass Moskau sich an diese Anordnung halten wird. Auch die Anhörung am 07.03.2022 hatte Russland bereits boykottiert. Das Gericht besitzt keine Machtmittel, um einen unterlegenen Staat zu zwingen, ein Urteil umzusetzen. Es könnte den UN-Sicherheitsrat anrufen. Dort kann Russland allerdings jede Entscheidung mit seinem Veto blockieren. Dennoch wird die Entscheidung als wichtiges Signal bewertet. Die Ukraine sprach von einem wichtigen Sieg. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte: "Die Ukraine hat vor dem Internationalen Gerichtshof der UN einen vollständigen Sieg über Russland errungen." Der Richterspruch müsse von Russland umgesetzt werden. "Das Urteil zu ignorieren, bedeutet für Russland noch größere Isolation."

IGH: Keinerlei Grundlage für Putins Völkermord-Behauptung

Grundlage der Klage ist die Völkermord-Konvention von 1948. Die Ukraine wirft Russland vor, die Konvention als Rechtfertigung für den Krieg zu missbrauchen. Präsident Wladimir Putin hatte erklärt, dass Russen in der Ostukraine vor einem Völkermord geschützt werden müssten - hatte aber keine Beweise vorgelegt. Das Gericht sieht bisher keinerlei rechtliche Grundlage für diese Behauptung. Es ist erst eine vorläufige Entscheidung. In der Grundsache wird erst nach dem Hauptverfahren geurteilt, das kann Jahre dauern.

Urteil erhöht Druck auf Russland

Das Urteil kann nach Ansicht von Beobachtern auch als Signal gewertet werden, dass auch ein ständiges Mitglied des Weltsicherheitsrats nicht über dem Recht steht. "Für die Ukraine ist dies ein weiteres friedliches Mittel, um den Druck auf Russland zu erhöhen", sagte Valerie Oosterveld, Professorin für internationales Recht in Kanada auf einer Online-Pressekonferenz. Diese Entscheidung könne außerdem eine wichtige Unterstützung sein für andere Verfahren etwa vor dem Weltstrafgericht oder Organen der UN. Die Ukraine beschuldigt Russland auch der Kriegsverbrechen, zu denen das - ebenfalls in Den Haag ansässige - Weltstrafgericht gesondert ermittelt. 

Redaktion beck-aktuell, 17. März 2022 (dpa).

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