Ziel des Entwurfs: Schaffung einer modernen IT-Architektur für das BKA
Ziel der Neustrukturierung ist laut Bundesregierung insbesondere die Schaffung einer modernen IT-Architektur für das Bundeskriminalamt (BKA). Das Gesetz solle die Datenqualität verbessern und neue gemeinsame IT-Standards etablieren. Das BKA soll den Angaben zufolge sowohl als Zentralstelle des nationalen polizeilichen Informationswesens als auch als Kontaktstelle für die internationale Zusammenarbeit gestärkt werden. Zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus kann das BKA den Vorlagen zufolge auf entsprechende richterliche Anordnung Personen verpflichten, am Körper eine elektronische Fußfessel bei sich zu führen. Ziel dieser Maßnahme sei es, den Aufenthaltsort von Personen, von denen die Gefahr der Begehung einer terroristischen Straftat ausgeht, ständig zu überwachen und so die Begehung derartiger Taten zu verhindern.
Kritiker halten Gesetzentwurf für grenzwertig
Kritiker des Gesetzentwurfs wie Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, rieten, den Gesetzentwurf "in dieser Form nicht in Kraft zu setzen". Die bisher das Datenschutzrecht leitenden Grundsätze der Datensparsamkeit und der Zweckbindung würden in ihr Gegenteil verkehrt. Insbesondere der "Terrorismusteil" des Gesetzentwurfes leiste keine Abwägung "zwischen Freiheit und Sicherheit", sondern gehe "an die Grenzen dessen, was von Verfassung wegen gerade noch möglich sein mag". Statt sich "in der Mitte einer vorgegebenen Fahrspur möglicher Grundrechtseingriffe" zu bewegen, schramme der Gesetzgeber "konsequent an der rechten Leitplanke entlang". Dies sei zwar in weiten Teilen verfassungsgemäß, aber eine "sehr eindeutige Priorisierung" der Interessen des BKA. Besonders augenfällig werde dies etwa bei den Befugnissen für den Einsatz sogenannter Staatstrojaner.
Professor: Elektronische Fußfessel verhältnismäßig
Professor Klaus Ferdinand Gärditz von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn betonte, die vorgesehenen Regelungen zur elektronischen Fußfessel genügten den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. Natürlich könne man damit nicht einen zum Selbstmordanschlag entschlossenen Attentäter von seinem Vorhaben abhalten, doch in anderen Fällen lasse sich damit bei der Planung eines künftigen Anschlags dessen Vorbereitung erheblich erschweren. Ferner sei die Befristung auf drei Monate ausreichend. Zudem sei es ein "sinnvoller Kompromiss, mit einer milderen Maßnahme einzusteigen", da diese Überwachung auch der Versuch sei, "nicht die Inhaftnahme regeln zu müssen, die in denkbaren Extremfällen für diese Zeiträume ja auch durchaus in Betracht käme".
Datenschützer: Unschuldige können leicht ins Visier des BKA geraten
Diethelm Gerhold, leitender Beamter der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, urteilte, dass der Entwurf das polizeiliche Datenschutzrecht "grundlegend verändern" werde. Beim neuen Informationssystem des BKA sei zu berücksichtigen, dass "all das, was in den letzten Jahrzehnten seit dem Volkszählungsurteil" an datenschutzrechtlichen Sicherungen im Zuge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingeführt worden sei, "jetzt abgelöst werden soll". Jeder müsse damit rechnen, "dass er in dieses Informationssystem hineinkommen" kann, was "mitunter ganz schnell" gehe. "Da reicht, dass Sie am falschen Ort gewesen sind", sagte Gerhold. Es genüge ein einfacher Verdacht. Während die bisherigen Regelungen davor schützten, "dass Sie dann auf Ewigkeit in dem System drinbleiben", werde sich da "in Zukunft einiges ändern".
Neue Befugnisse sollen Gefahrentstehung unterbinden
Professor Markus Möstl von der Universität Bayreuth verwies darauf, dass es sich bei den neuen Befugnissen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung sowie des Aufenthalts- und Kontaktverbots nicht "um reine Ermittlungseingriffe, sondern um aktionelle Anordnungen" handle, mit denen die "Gefahrentstehung unterbunden werden soll". Im Bereich der Terrorismusbekämpfung dürfe der Gesetzgeber aber zu Recht davon ausgehen, "dass es bisweilen zu riskant sein kann, die polizeilichen Aktivitäten im Gefahrenvorfeld auf reine Beobachtung zu beschränken, da zu befürchten steht, dass sich eine Gefahr vielleicht plötzlich und mit großem Schaden realisiert, noch bevor sie als solche erkannt und aufgeklärt werden konnte". In solchen Fällen könne es zulässig sein, "vorgelagert bereits die weitere Entstehung einer Gefahr verhindern zu wollen".
BKA verweist auf staatlichen Schutzauftrag und Erwartungshaltung der Bevölkerung
BKA-Präsident Holger Münch sagte mit Blick auf die Regelung zur sogenannten Fußfessel und die Ermächtigungsgrundlage zu Aufenthalts- und Kontaktverboten, für sein Haus beschränke sich diese Befugnis auf Ausnahmefälle. Münch betonte, das "Risiko eines Informationsverlustes" in Form der Unkenntnis über den Aufenthalt eines sogenannten Gefährders dürfe man nicht eingehen. "Dem staatlichen Schutzauftrag und der berechtigten Erwartungshaltung der Bevölkerung würden dann wir nicht gerecht", fügte er hinzu. Insofern halte er diese Erweiterung für sinnvoll.
"Freiheit ohne Sicherheit undenkbar"
Professor Kyrill-Alexander Schwarz von der Universität Würzburg sagte zur Debatte über das Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit, während "Sicherheit ohne Freiheit sofort denkbar" sei, wenn auch nicht erstrebenswert, sei "Freiheit ohne Sicherheit undenkbar". Die elektronische Aufenthaltsüberwachung sei "eine Akt experimenteller Gesetzgebung". Natürlich werde diese Maßnahme "einen zu allem Entschlossenen nicht verhindern können". Man könne aber überlegen, "ob in einem verhältnismäßig ausgestalteten System präventiver Maßnahmen man nicht noch auf weitergehende Maßnahmen zurückgreifen könnte". So wäre der Entwurf zur Änderung bayerischer Sicherheitsgesetze, der von einem "Präventivgewahrsam" ausgehe, "doch eine deutlich weitgehendere Maßnahme und deutlich freiheitsbeschränkender als die bloße elektronische Aufenthaltsüberwachung".