Innenausschuss: Experten überwiegend für Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von staatlicher Parteienfinanzierung

In einer Anhörung des Bundestagsinnenausschusses über Gesetzentwürfe der Koalitionsfraktionen (BT-Drs. 18/12357, 18/12358) sowie des Bundesrates (BT-Drs. 18/12100, 18/12101) zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Finanzierung hatten die Experten überwiegend keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies hat der parlamentarische Pressedienst am 30.05.2017 berichtet. Unterschiedlicher Ansicht seien sie allerdings hinsichtlich der geplanten Fristenregelung für die Möglichkeit einer betroffenen Partei gewesen, die Aufhebung des Ausschlusses zu beantragen. Hier sei zum Teil eine Regelung gefordert worden, die die "Verfahrensherrschaft" beim Staat belasse.

NPD-Urteil: Partei mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung

In den Vorlagen wird darauf verwiesen, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 17.01.2017 (BeckRS 2017, 100243) den Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD zurückgewiesen und damit kein Parteiverbot ausgesprochen hat. Zugleich habe das Gericht in dem Urteil aber festgestellt, "dass die Ziele der NPD und das Verhalten ihrer Anhänger gegen die Menschenwürde und den Kern des Demokratieprinzips verstoßen und dass sie Elemente der Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus aufweisen". Zudem sei die Programmatik der NPD auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet. Im Ergebnis sei die Partei "wegen ihres eigenen politischen Misserfolges und der derzeit geringen politischen Einflussmöglichkeiten" nicht verboten worden.

BVerfG weist Gesetzgeber auf Handlungsoptionen hin

Wie die Koalitionsfraktionen in ihrer Vorlage zur Grundgesetzänderung weiter ausführen, hat das BVerfG in dem Urteil zudem darauf hingewiesen, dass es dem verfassungsändernden Gesetzgeber freistehe, neben dem Parteiverbot weitere, abgestufte Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Parteien mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung zu schaffen.

Gesetzentwürfe: Verfassungsfeindliche Parteien sollen von Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden

In diesem Sinne solle eine "gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Zielsetzung zukünftig alleinige Tatbestandsvoraussetzung für einen Ausschluss politischer Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung sein, ohne dass es auf die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs ankommen würde", heißt es in dem Entwurf der Koalitionsfraktion. Dazu solle Art. 21 GG geändert werden. Über den Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung solle das BVerfG entscheiden, so die Entwürfe für ein Begleitgesetz. Dazu solle im BVerfGG ein entsprechendes Verfahren geschaffen werden.

Hochschulprofessor Brenner: Eingriff in Gleichbehandlungsgebot gerechtfertigt

Professor Michael Brenner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena sagte bei der Anhörung, es spreche nichts gegen die Aufnahme einer Bestimmung zum Ausschluss aus der Parteienfinanzierung in das Grundgesetz. Zwar müssten Parteien grundsätzlich gleichbehandelt werden, und es handele sich hier um einen Eingriff in dieses Gleichbehandlungsgebot, der jedoch bei "hinreichend gewichtigen Gründen" dafür verfassungsrechtlich zulässig sei. Solche Gründe seien hier gegeben. Der Staat müsse nicht die Parteien finanzieren, die ihn ablehnen oder gar bekämpfen. Brenner verwies zugleich darauf, dass nach dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen eine von der Finanzierung ausgeschlossene Partei frühestens nach vier Jahren beantragen können soll, diesen Ausschluss aufzuheben, während der Bundesratsvorschlag diese Frist auf zwei Jahre setzt. Dabei scheine ihm die Zwei-Jahres-Frist zu kurz bemessen.

Rechtsanwalt: Geplanter Ausschluss untergräbt Demokratieprinzip

Der Dresdener Rechtsanwalt Johannes Lichdi äußerte Zweifel an der Erforderlichkeit des Ausschlusses extremistischer Parteien aus der staatlichen Finanzierung. Schließlich wäre auch eine allgemeine Abschaffung oder Absenkung der Parteienfinanzierung möglich. Sollte der Gesetzgeber die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen beschließen, würde er zudem "der Urteilskraft der Bürger und der Offenheit des politischen Willensbildungsprozesses sein Misstrauen erklären". Dies würde der Glaubwürdigkeit der Demokratie schweren Schaden zufügen. "Eine von Staats wegen gelenkte Demokratie, in der bestimmte Ansichten bevorzugt oder benachteiligt werden, widerspricht fundamental dem freiheitlichen Geist des Grundgesetzes", argumentierte Lichdi. Deshalb sollten Bundestag und Bundesrat den Vorschlägen nicht folgen.

Hochschulprofessor Möllers fordert zeitliche Ausschlussbegrenzung mit Möglichkeit auf Verlängerung

Professor Christoph Möllers von der Berliner Humboldt-Universität gab zu bedenken, dass die Regelungen mit Blick auf die Fristen "wahrscheinlich im Ergebnis ziemlich problematisch" seien. Er verwies darauf, dass der Staat verfassungsfeindliche Parteien überwachen wolle. Er müsste aber zu dem Zeitpunkt, an dem eine Partei die Aufhebung des Ausschlusses beantragt, seine V-Leute aus dieser Partei bereits seit längerem zurückgezogen haben. Das gehe aber nicht. Möllers regte daher an, dass der Ausschluss von vornherein begrenzt werde und dann gegebenenfalls auf Betreiben des Staates verlängert werden müsse.

Hochschulprofessor Morlok äußert verfassungspolitische Bedenken

Professor Martin Morlok von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sah in den vorgeschlagenen Regelungen "keine gravierenden verfassungsrechtlichen Risiken". Allerdings habe er dabei ein "gewisses verfassungspolitisches Grummeln im Bauch". Schließlich lebe die Demokratie auch von der Überzeugungskraft, und dazu zähle, dass "Minderheiten eine Chance sehen, gleichberechtigt am politischen Meinungskampf und Wettbewerb teilzunehmen". Er kritisierte zugleich, dass nach der vorgeschlagenen Verfassungsänderung der "Parteien-Artikel" im Grundgesetz in drei von fünf Absätzen von Parteiverbot beziehungsweise Sanktionen gegen verfassungsfeindliche Parteien handeln solle. Dies sei "völlig unangemessen". Dieses Problem könne man lösen, indem man die einschlägigen Bestimmungen in einem Absatz konzentriere.

Hochschulprofessor Volkmann: "Attraktivität des Verfassungstextes" nicht beschädigen

Professor Uwe Volkmann von der Goethe-Universität Frankfurt am Main warnte ebenfalls davor, die "Attraktivität des Verfassungstextes" zu beschädigen. Zwar sei das Grundgesetz im Lauf der Zeit "mit immer technischeren Bestimmungen aufgeladen" worden, doch sei dies überwiegend nicht im vorderen Teil geschehen, der die "Kern- oder Bürgerverfassung" darstelle und dessen Bestimmungen auch in den Schulen gelehrt würden. Mit Blick auf "den verfassungspolitischen Gesichtspunkt" sagte Volkmann, die Überlegung, dass der Staat nicht diejenigen finanzieren solle, die ihn abschaffen wollten, sei von einer "so schlagenden Plausibilität, dass man gar nichts dagegen sagen kann".

Hochschulprofessor Waldhoff: Bei Dauer des Ausschlusses "Verfahrensherrschaft" des Staates wahren

Professor Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität Berlin sah in beiden Gesetzesinitiativen Beiträge zur Stärkung der "wehrhaften Demokratie", wobei er den Vorschlag der Koalitionsfraktionen vorzog. Schwierig wäre es nach seinen Worten, einen Ausschluss von der Parteienfinanzierung unbefristet zu gestalten und der betreffenden Partei zu ermöglichen, nach mehreren Jahren die Aufhebung dieses Ausschlusses zu beantragen. Damit gebe der Staat "das Geschehen aus der Hand", während sich die Partei "alle vier Jahre der Bühne des Bundesverfassungsgerichts bedienen" könne. Würde man diese Regelung "umdrehen", bliebe die "Verfahrensherrschaft" dagegen beim Staat.

Redaktion beck-aktuell, 30. Mai 2017.

Mehr zum Thema