In Türkei inhaftierter Patrick K. aus Gießen zu Gefängnisstrafe verurteilt

Ein türkisches Gericht hat den seit März 2018 in der Türkei inhaftierten Patrick K. aus Gießen nach zwei kurzen Gerichtsverhandlungen wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation zu sechs Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Angeblich hat er sich per E-Mail einer Kurdenmiliz als Kämpfer angeboten. Seine Familie sagt, er sei zum Wandern in der Türkei gewesen. Weil er zudem ein militärisches Sperrgebiet betreten habe, wurde der 29-Jährige zu einer weiteren Strafe verurteilt, sagte sein Anwalt Hüseyin Bilgi am 26.10.2018.

Bislang keine Urteilsbegrüngung

Die Strafe von einem Jahr und neun Monaten wegen des Betretens eines militärischen Sperrgebiets ist laut Anwalt zur Bewährung ausgesetzt worden. Bilgi sagte, er werde das Urteil anfechten. Die zweite Verhandlung hatte weniger als eine Stunde gedauert. Prozessauftakt war vor rund drei Wochen. Bilgi zufolge hat der Richter das Urteil nicht im Detail begründet. Es ist in der Türkei allerdings durchaus üblich, dass detaillierte Urteilsbegründungen später nachgereicht werden. Der Richter habe nur gesagt, dass er "aufgrund der Vorwürfe in den Akten und den vorliegenden Beweisen" so entschieden habe, sagte Bilgi.

Türkei inhaftierte einige Deutsche

Im Jahr 2017 hatte eine Serie von Festnahmen deutscher Staatsbürger zu einer schweren Krise zwischen Berlin und Ankara geführt. Nach Entlassungen aus der Untersuchungshaft und Ausreisen der prominentesten Fälle - darunter der "Welt"-Reporter Deniz Yücel und der Menschenrechtler Peter Steudtner - hatten sich die Beziehungen Anfang des Jahres 2018 leicht entspannt. Es sind aus "politischen Gründen" aber immer noch fünf Deutsche in Haft. Bevor sie nicht frei seien, könne es keine Normalisierung der Beziehungen geben, hatte die Bundesregierung mehrfach betont.

Familie des jungen Deutschen geschockt

K.s Familie sei geschockt, sagte eine Freundin am Telefon. Die Mutter könne derzeit nicht reden. "Patrick wurde verurteilt für nichts, das war eine üble Überraschung." Vor dem Gerichtstermin hatte K.s Mutter Claudia S. noch gesagt, ihr Sohn habe große Angst. Sie mache sich auch Sorgen um seine Gesundheit. Er kämpfe seit Wochen mit einer Mittelohrentzündung und habe drei Zähne verloren. K. sitzt seit mehr als sieben Monaten in einem Gefängnis in der osttürkischen Provinz Elazig. Der Verhandlung im südosttürkischen Sirnak war er per Videoleitung zugeschaltet gewesen. Patrick sei "sehr traurig", sagte Anwalt Hüseyin Bilgi.

Festnahme an der Grenze zum Irak

K. war der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge im März 2018 im türkisch-syrischen Grenzgebiet in einem militärischen Sperrgebiet festgenommen worden. Auch die Grenze zum Irak liegt in der Nähe. Die Staatsanwaltschaft warf K. Mitgliedschaft in der in Syrien aktiven Kurdenmiliz YPG vor. Diese ist ein Ableger der PKK, die in der Türkei und in Europa als Terrororganisation gilt. Nach Angaben seiner Familie war K. zum Wandern in der Türkei.

Kritiker bezeichnen die Beweise als dünn

Die Staatsanwaltschaft sah laut Anklageschrift eine "organische Verbindung" zwischen K. und der Terrororganisation. Die in der Akte dargelegten "Beweise" dafür erschienen Kritikern jedoch dünn und teils widersprüchlich. Ein Zeuge will K. im Januar in einem syrischen Krankenhaus gesehen haben, wo er eine YPG-Uniform getragen und als Arzt gearbeitet haben soll. Seine Familie nennt das "blanken Unsinn". Ihr Sohn sei in der Zeit in Deutschland gewesen, hatte Patrick K.s Mutter Claudia S. vor dem Gerichtstermin gesagt. Und Arzt sei er schon gar nicht. "Patrick ist gelernter Schreiner und Tischler und hat später als Kurierfahrer gearbeitet."

Angebliche E-Mail als Beweis

Die Staatsanwaltschaft verwies auch auf eine angebliche E-Mail in Patrick K.s Handy, in der er Kontakt mit der YPG aufgenommen haben soll. "Ich werde für Euch kämpfen", stand da demnach in gebrochenem Englisch. "Ich bin auch Tourist in Kilis und werde gehen, um euch zu helfen. Aber ich brauche Hilfe. Ich spreche Englisch und Deutsch. Ich bin 28 Jahre alt und habe vier Jahre Erfahrung in der deutschen Armee, also gebt mir eine Chance."

Laut Anklageschrift hat sich K. der YPG angeschlossen

Laut Anklageschrift soll K. ausgesagt haben, er sei in Deutschland von zwei Personen dazu verleitet worden, sich der YPG anzuschließen. Er habe erst nach seiner Festnahme erfahren, dass diese eine Terrororganisation sei. Seine Mutter sagte vor der Verhandlung: "Er hat halt alles unterschrieben, was ihm vorgelegt wurde und hat die Sprache nicht verstanden."

Redaktion beck-aktuell, 26. Oktober 2018 (dpa).