In der Mi­gra­ti­ons­po­li­tik legt die Ampel den Schal­ter um – mit An­sa­ge

Rund 13% der Men­schen, die in Deutsch­land leben, haben keine deut­sche Staats­bür­ger­schaft. Die Ampel-Ko­ali­ti­on fin­det, das sind zu viele. Sie will die Hür­den für die Ein­bür­ge­rung sen­ken. Eine davon ist die Mehr­staa­tig­keit. Sie soll künf­tig grund­sätz­lich er­laubt sein. Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nancy Fae­ser (SPD) hat meh­re­re Ent­wür­fe vor­ge­legt, mit denen der "Neu­an­fang in der Mi­gra­ti­ons- und In­te­gra­ti­ons­po­li­tik", den SPD, Grüne und FDP vor einem Jahr in ihrem Ko­ali­ti­ons­ver­trag ver­ein­bart hat­ten, in die Tat um­ge­setzt wer­den soll.

Op­po­si­ti­on un­zu­frie­den

Dass die Op­po­si­ti­on damit nicht ein­ver­stan­den ist, über­rascht nicht. Die Linke fin­det die ge­plan­ten Re­for­men teil­wei­se nicht mutig genug, etwa beim Chan­cen-Auf­ent­halts­recht für Ge­dul­de­te. Teil­wei­se be­män­gelt sie, die Ent­wür­fe seien hand­werk­lich schlecht ge­macht, bei­spiels­wei­se das Vor­ha­ben zur Be­schleu­ni­gung der Asyl­ver­fah­ren. Der AfD fällt beim Thema Mi­gra­ti­on meist re­flex­haft nur "Ab­schie­bung" ein. Die Union fin­det, es müsse stär­ker ge­trennt wer­den zwi­schen Zu­wan­de­rern, die ar­bei­ten, Deutsch ler­nen, den Kon­takt zur Mehr­heits­ge­sell­schaft su­chen und sol­chen, die all dies nicht tun.

Auch FDP "grum­melt"

Dass nun auch aus der FDP ein lau­tes Grum­meln zu ver­neh­men ist, dürf­te ei­ner­seits mit dem schlech­ten Ab­schnei­den der Par­tei bei den zu­rück­lie­gen­den Land­tags­wah­len zu tun haben. An­de­rer­seits är­gern sich die Li­be­ra­len manch­mal dar­über, dass man bei As­pek­ten, auf die sie Wert legen, nicht so schnell vor­an­kommt, wie bei den Vor­ha­ben, die den Grü­nen am Her­zen lie­gen. Die FDP dringt vor allem auf eine bes­se­re För­de­rung der Ar­beits­mi­gra­ti­on sowie auf mehr Un­ter­stüt­zung vom Bund bei der Durch­set­zung von Aus­rei­se­pflicht und Ab­schie­bun­gen. Im­mer­hin: An die­sem Mitt­woch soll im Ka­bi­nett über ein Eck­punk­te­pa­pier zur Ein­wan­de­rung in den Ar­beits­markt be­ra­ten wer­den.

Er­leich­ter­te Ein­bür­ge­rung ge­plant

Re­gel­recht fest­ge­bis­sen hat sich die FDP jetzt an einem Re­fe­ren­ten­ent­wurf aus dem Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um für eine er­leich­ter­te Ein­bür­ge­rung. Zu den we­sent­li­chen Än­de­run­gen, die der vom Ka­bi­nett noch nicht ge­bil­lig­te Ent­wurf vor­sieht, ge­hört: Die Min­dest­auf­ent­halts­dau­er soll von acht auf fünf Jahre ver­kürzt wer­den, bei be­son­de­ren In­te­gra­ti­ons­leis­tun­gen auf drei Jahre. Wer Deut­scher oder Deut­sche wer­den will, muss die alte Staats­bür­ger­schaft dafür nicht mehr auf­ge­ben. Auch Kin­der von Aus­län­dern, die seit min­des­tens acht Jah­ren recht­mä­ßig in Deutsch­land leben und bis­her nur bis zum 23. Ge­burts­tag beide Pässe be­hal­ten durf­ten, müss­ten sich dann künf­tig nicht mehr zwi­schen Deutsch­land und dem Her­kunfts­land der El­tern ent­schei­den.

Ge­rin­ge­re An­for­de­run­gen an Sprach­ni­veau

Für Aus­län­der, die das 67. Le­bens­jahr voll­endet haben, sol­len zudem die bis­lang gel­ten­den An­for­de­run­gen an das Sprach­ni­veau ge­senkt wer­den. Im Ent­wurf heißt es dazu: "Die Vor­aus­set­zung der aus­rei­chen­den Kennt­nis­se der deut­schen Spra­che ist für die­sen Per­so­nen­kreis er­füllt, wenn sich die Be­trof­fe­nen ohne nen­nens­wer­te Pro­ble­me im All­tags­le­ben in deut­scher Spra­che münd­lich ver­stän­di­gen kön­nen." Damit will man vor allem den Men­schen ent­ge­gen­kom­men, die einst als Gast­ar­bei­ter, etwa aus der Tür­kei, an­ge­wor­ben wur­den, ohne dass ihnen Sprach­kur­se an­ge­bo­ten wur­den. Al­ler­dings soll die er­leich­ter­te Ein­bür­ge­rung nicht nur für Aus­län­der gel­ten, die einst über ein An­wer­be­ab­kom­men nach Deutsch­land kamen, son­dern für alle Aus­län­der im Ren­ten­al­ter.

Fae­ser weist Ein­wän­de der FDP zu­rück

Die Ein­wän­de der FDP, die hier auf die Brem­se tritt und Fort­schrit­te bei Ab­schie­bun­gen mit der Um­set­zung der Re­form des Staats­bür­ger­schafts­rechts ver­knüp­fen will, lässt Fae­ser am Mon­tag kühl zu­rück­wei­sen. Der Spre­cher ihres Mi­nis­te­ri­ums, Ma­xi­mi­li­an Kall, weist – fak­tisch kor­rekt – dar­auf hin, dass die er­leich­ter­te Ein­bür­ge­rung nun ein­mal Teil des Ko­ali­ti­ons­ver­trags sei. Im Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um sei man daher "sehr op­ti­mis­tisch", dass die wei­te­re Ab­stim­mung mit den an­de­ren Res­sorts der Re­gie­rung bald ab­ge­schlos­sen wer­den könne.

Aber: Ge­än­der­te Rah­men­be­din­gun­gen

Ob der Ver­weis auf den Ko­ali­ti­ons­ver­trag al­lein aus­reicht, wer­den die nächs­ten Tage zei­gen. Schlie­ß­lich war auch schon bei an­de­ren um­strit­te­nen Vor­ha­ben an­ge­führt wor­den, die Rah­men­be­din­gun­gen hät­ten sich seit der Re­gie­rungs­bil­dung ge­än­dert, dar­auf müsse auch der Ge­setz­ge­ber re­agie­ren. Dass die ir­re­gu­lä­re Mi­gra­ti­on nach dem Weg­fall von Co­ro­na-Rei­se­be­schrän­kun­gen wie­der zu­neh­men würde, war vor einem Jahr viel­leicht schon ab­seh­bar. Das gilt aber nicht für die Auf­nah­me von bis­her rund einer Mil­li­on Kriegs­flücht­lin­gen aus der Ukrai­ne als Folge eines rus­si­schen An­griffs­krie­ges. Auch dass per­spek­ti­visch wei­te­re Staa­ten hin­zu­kom­men wür­den, in die Ab­schie­bun­gen aus prak­ti­schen Grün­den oder wegen der Ver­schlech­te­rung der Lage dort nicht mehr mög­lich sind, war da­mals noch nicht ab­seh­bar.

Scholz un­ter­stützt Fae­ser

Schüt­zen­hil­fe für Fae­ser kam am Wo­chen­en­de von Bun­des­kanz­ler Olaf Scholz (SPD), der in einer Vi­deo­bot­schaft den Bei­trag der so­ge­nann­ten Gast­ar­bei­ter-Ge­ne­ra­ti­on wür­dig­te und sagte: "Man­che leben hier schon sehr, sehr lange und haben Kin­der und Enkel. Und des­halb ist es sehr gut, wenn die­je­ni­gen, die so lange bei uns leben, sich auch dafür ent­schei­den, die deut­sche Staats­bür­ger­schaft zu er­wer­ben."

Wohl keine Zu­stim­mung der Län­der er­for­der­lich

Wenn sich an den we­sent­li­chen In­hal­ten des Ent­wurfs nichts än­dern soll­te, geht man im In­nen­mi­nis­te­ri­um davon aus, dass er – an­ders als zu­letzt etwa beim Bür­ger­geld – nicht zu­stim­mungs­pflich­tig sein wird. Das heißt, eine Ei­ni­gung mit Lan­des­re­gie­run­gen, an denen CDU oder CSU be­tei­ligt sind, wäre nicht not­wen­dig, da das Vor­ha­ben im Bun­des­rat nicht ge­kippt wer­den könn­te.

Redaktion beck-aktuell, Anne-Beatrice Clasmann, 28. November 2022 (dpa).

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