Immer mehr Massenverfahren – LG München I-Präsidentin fordert Abhilfe durch Gesetzgeber

Das Landgericht München I beklagt eine erhebliche Belastung durch sogenannte Massenverfahren, etwa den Dieselskandal, das Lkw-Kartell oder Wirecard betreffend. LG-Präsidentin Beatrix Schobel sieht den Gesetzgeber in der Pflicht, hier Abhilfe zu schaffen. Sie fordert ein Vorlageverfahren zum Bundesgerichtshof und erweiterte Aussetzungsmöglichkeiten.

Massenverfahren am LG

Laut einer Pressemitteilung des LG München I war und ist das Gericht mit einer Vielzahl von Massenverfahren belastet. So habe das LG zum Thema Abgasskandal mehrere tausend Klagen bewältigen müssen. Bereits vielfach mündlich verhandelt worden sei das Lkw-Kartell. Inzwischen seien etwa 150 Verfahren eingegangen, teilweise mit ganz erheblichem Umfang. Insgesamt forderten etwa 10.000 Geschädigte für 250.000 von ihnen erworbene Lkws Kartellschadenersatz. Ferner habe es über 200 Verfahren von Gastronomiebetrieben, Hotels und Freizeiteinrichtungen gegeben, die auf Leistungen von ihrer Betriebsschließungsversicherung für Schließungen im Corona-Lockdown geklagt hätten. Weiter gebe es derzeit circa 35 Schadensersatzverfahren gegen den TÜV-Süd zum Bruch des Staudamms einer Eisenerzmiene in der brasilianischen Gemeinde Brumadinho. Außerdem seien in Bezug auf den Wirecard-Skandal am LG etwa 900 Klagen einzelner Anleger gegen die Wirtschaftsprüferin (E&Y) anhängig. Die Zahl steige fast täglich weiter an. Einzelne Verfahren dieser Masseverfahren seien wiederum für sich Großverfahren.

LG-Präsidentin fordert Abhilfe durch Gesetzgeber

Das LG habe bereits eine Vielzahl von organisatorischen Maßnahmen zur Bearbeitung der Massenverfahren ergriffen, unter anderem einen Koordinator für Massenverfahren eingeführt. Die LG-Präsidentin Beatrix Schobel sieht laut Mitteilung aber vor allem auch den Gesetzgeber in der Pflicht, Abhilfe zu schaffen: "Ein Vorlageverfahren zum BGH zur Beantwortung der maßgeblichen abstrakten Rechtsfragen wäre hier ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es ist sehr ernsthaft zu diskutieren, ob hier eine Aussetzungsmöglichkeit von Parallelverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ein Pilotverfahren zielführend sein könnte. Die Aussetzung von individuellen Klagen einzelner Verbraucher bis zum Abschluss einer Muster- oder Verbandsklage oder bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung in parallelen Rechtsstreitigkeiten sollte der Praxis schnell ermöglicht werden. Es braucht mehr Flexibilität im Zivilprozessrecht, um die Massenverfahren noch besser in den Griff zu bekommen."

Redaktion beck-aktuell, 21. März 2022.