Hülfskasse: Wenn Anwältinnen und Anwälte in Not geraten
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In der Vorweihnachtszeit freuen sich viele darauf, Geschenke für Ihre Lieben zu besorgen. Doch was, wenn wegen Krankheit das nötige Kleingeld fehlt? Jedes Jahr zu Weihnachten greift die Hülfskasse bedürftigen Anwältinnen und Anwälten unter die Arme – und sie tut noch viel mehr. 

Die allermeisten Anwältinnen und Anwälte lieben ihre Tätigkeit, empfinden sie als sinnstiftend und genießen es, im besten Interesse ihrer Mandantinnen und Mandanten für deren Recht zu kämpfen. Doch Krankheit kann jeden ereilen. Und wenn es schlecht läuft, hindert sie dauerhaft an der Berufsausübung. Viele sorgen für diesen Fall vor und sichern sich auch fürs Alter ab. Doch manchmal genügt das nicht und Anwältinnen und Anwälte geraten in finanzielle Not. Die Adresse, an die sie sich in so einem Fall wenden können, ist die Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte.

"Die Hülfskasse unterstützt Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bei Krankheit, schwerwiegenden Notlagen und Lebensumbrüchen", erklärt Christiane Quade, Geschäftsführerin und seit 23 Jahren bei der Hülfskasse. "Und wir unterstützen auch ihre Angehörigen finanziell. Das ist schon seit der Gründung im Jahr 1885 so. Damals war die Hülfskasse eine Genossenschaft zur Versorgung von dienstunfähigen Rechtsanwälten und ihren Hinterbliebenen." Heute ist die Hülfskasse ein karitativer Verein, der mehr als 170 Anwältinnen und Anwälte finanziell unterstützt.

"Ersparnisse für spätere Zeiten schmolzen dahin"

Quade schätzt ihre Arbeit. Denn sie erlebt die Schicksale der Menschen, die versuchen, sich im Alltag durchzuschlagen, oft einfach nur Pech hatten – und sie kann helfen. 

So war es auch bei einer Hamburger Anwältin, die nach mehr als 35 Jahren im Beruf von den steigenden Kosten eingeholt wurde, während der Umsatz ihrer Kanzlei am Ende ihres Berufslebens sank. "Nach meiner Scheidung erlebte ich, wie so viele Kolleginnen, wieviel Energie es als alleinerziehende Mutter kostete, den zeitlichen und finanziellen Anforderungen und Belastungen standzuhalten. Ersparnisse für spätere Zeiten schmolzen für die Kosten des Alltags dahin. Am Ende fühlte ich mich ausgebrannt und krank", erzählt sie.

Sie ging dann in den Ruhestand – mit 66 Jahren. Doch das Geld reichte hinten und vorne nicht. "In dieser Zeit musste ich Grundsicherung beantragen, weil meine Einnahmen die monatlichen Kosten nicht mehr deckten." Von der Hülfskasse erfuhr die Hamburgerin durch eine Kollegin. "Die Grundsicherung deckt nur die allernotwendigsten Existenzkosten, würdig leben kann man davon kaum", sagt sie. Die Hülfskasse springt ein. Sie bezahlt die Arztrechnungen, die die private Krankenkasse nicht erstattet und verschafft der Hamburgerin damit zumindest eine kleine Entlastung im Alltag.

"Wenn es ganz eng wird, kann ich mich an die Hülfskasse wenden"

Arztrechnungen sind ein klassischer Fall, bei dem die Hülfskasse Anwältinnen und Anwälten unter die Arme greifen kann. Aber sie springt auch ein, wenn große Anschaffungen anstehen. Dabei geht die Unterstützung nicht nur an die Anwältinnen und Anwälte selbst, sondern auch an ihre Angehörigen. "Wir helfen zum Beispiel, wenn ein Witwer, der nur eine kleine Rente bekommt, auf einmal Zahnersatz braucht, den die Krankenkasse nicht bezahlt. Oder, wenn eine Rechtsanwältin krankheitsbedingt nicht arbeiten kann, aber die Waschmaschine kaputt geht", sagt Quade.

Und dann gibt es ja auch noch die große Weihnachtsspende. "Jedes Jahr schicken wir bundesweit bedürftigen Anwältinnen und Anwälten zu Weihnachten Geld – im Moment sind das 700 Euro. Und seit einigen Jahren können wir außerdem im Frühjahr auch noch einmal ca. 600 Euro an alle Empfängerinnen und Empfänger verteilen."  

Für die Hamburger Anwältin und ihre Kinder ist die Überweisung jedes Weihnachtsfest wieder ein willkommenes Geschenk: "Das Gefühl zu haben, wenn es ganz eng wird, kann ich mich an die Hülfskasse wenden, ist beruhigend und wohltuend. Ich bin sehr dankbar dafür", sagt die alleinerziehende Mutter.

Historisch gewachsen: Vier Kammern sind Mitglied der Hülfskasse

Das Geld für die bedürftigen Anwältinnen und Anwälte stammt aus verschiedenen Quellen. Jedes Jahr zu Weihnachten sammelt die Hülfskasse Spenden aus der Anwaltschaft. 2023 kamen dabei 192.612 Euro zusammen. Außerdem wird sie gelegentlich bedacht, wenn Richterinnen und Richter ein Verfahren gegen Geldauflagen einstellen. Als gemeinnütziger Verein kann die Hülfskasse als Empfängerin dieser Gelder fungieren.

Schließlich generiert die Hülfskasse auch Einnahmen von vier Anwaltskammern, deren Fürsorgeeinrichtung sie ist: Schleswig-Holstein, Hamburg, Braunschweig und die Kammer beim BGH. Dass nur diese vier Kammern Mitglieder der Hülfskasse sind, ist historisch bedingt und stammt noch aus der Zeit der britischen Besatzung nach dem zweiten Weltkrieg.

Die Angehörigen der Mitgliedskammern zahlen seit 2021 fünf Euro pro Jahr an die Hülfskasse. Dafür werden sie in noch größerem Umfang unterstützt – etwa auch durch regelmäßige Zahlungen. So kann die Hülfskasse zum Beispiel für einen krebskranken Anwalt aus Hamburg jeden Monat die Krankenkassenbeiträge übernehmen.

"Für meine Selbstwertschätzung war es mir wichtig, zu wissen, dass ich in der Zeit meiner aktiven Anwaltstätigkeit durch meine Kammerbeiträge selbst dazu beigetragen hatte, dass die Hülfskasse solche wertvolle soziale Hilfe leisten kann", sagt auch die Anwältin aus Hamburg. Auf diese Art sei es ihr leichter gefallen, die Hilfe anzunehmen.

"Jeder kann in eine Notlage geraten"

Obwohl die Hülfskasse eigentlich speziell bei finanziellen Problemen im Ruhestand oder bei Krankheit helfen soll, gab es in der Vergangenheit – und gibt es bis heute – immer wieder katastrophale Ereignisse, die die Hülfskasse auf den Plan gerufen haben. So hat sie während der beiden Weltkriege die Witwen vieler Kriegsopfer unterstützt. "Und auch bei dem großen Elbe-Hochwasser 2002 haben wir – in Zusammenarbeit mit BRAK und DAV – ganz vielen Anwälten beim Wiederaufbau ihrer Kanzlei helfen können. Das ging auch so bei der Überschwemmung in Bayern, Thüringen und Sachsen im Jahr 2013 und bei dem Hochwasser im Ahrtal 2021", erzählt Quade. Für seine besonderen Verdienste innerhalb der Anwaltschaft wurde der Verein 2017 mit dem Emil-von-Sauer-Preis ausgezeichnet.

Zum Glück sei die Hülfskasse für die Zukunft recht gut aufgestellt, freut sich Quade. Auch weil die Anfragen zuletzt etwas zurückgegangen seien, ermutigt sie Anwältinnen und Anwälte in finanzieller Not, sich zu melden. Auch im Namen bekannter oder befreundeter Kolleginnen und Kollegen könne man sich an die Hülfskasse wenden. Quade betont, niemand müsse sich schämen, die Hilfe in Anspruch zu nehmen, dafür sei sie schließlich da. "Jeder kann mal in eine Notlage geraten. Nur wenn sich jemand meldet, können wir ihm oder ihr sehr gut helfen."

Jedes Jahr sammelt die Hülfskasse für bedürftige Anwältinnen und Anwälte. Mehr Infos gibt es unter: https://huelfskasse.de/spenden/

Redaktion beck-aktuell, Denise Dahmen, 9. Dezember 2024.