Anforderungen an Sehkraft für Kfz über 3,5 Tonnen gelten auch für erfahrenen Rettungssanitäter

Wer ein Kraftfahrzeug fahren will, das über 3,5 Tonnen schwer ist, muss über eine gewisse Sehschärfe verfügen. Ansonsten ist ihm die entsprechende Fahrerlaubnis zu versagen. Dies gilt auch für einen Rettungssanitäter, der jahrelange Erfahrung mit dem Führen von Einsatzfahrzeugen mit einem Gewicht von knapp unter 3,5 Tonnen hat, wie das Verwaltungsgericht Koblenz entschieden hat.

Rettungssanitäter begehrt Fahrerlaubnis der Klasse C

Der Kläger hat auf dem linken Auge eine zentrale Sehschärfe von 0,8, sein rechtes Auge weist eine Sehschärfe von nur 0,2 auf. Seit 2005 verfügt er über eine Fahrerlaubnis der Klassen A2/A und B, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen von bis zu 3,5 Tonnen berechtigt. Sowohl in seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Rettungssanitäter als auch beim ehrenamtlichen Einsatz in der Freiwilligen Feuerwehr lenkt der Kläger regelmäßig Einsatzfahrzeuge mit einer Gesamtmasse von knapp unter 3,5 Tonnen – dies bei der Feuerwehr bereits seit 14 Jahren. Da sein Arbeitsvertrag ausläuft, sofern er keine Fahrerlaubnis der Klasse C1 aufweist, beantragte der Kläger die Erweiterung seiner Fahrerlaubnis auf die Klasse C.

Antrag mangels ausreichender Sehkraft erfolglos

Der Antrag war erfolglos. Der Kläger erreiche die in der FeV für die Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse C vorgeschriebene Mindestsehschärfe von 0,5 auf dem schlechteren Auge nicht, führte die zuständige Behörde aus. Zwar sehe die FeV Ausnahmen vor, wenn die unzureichende Sehschärfe durch Fahrerfahrung und Fahrzeugnutzung kompensiert werde. Eine solche Kompensation liege im Fall des Klägers aber nicht vor, weil er die Fahrerlaubnis der Klasse C erstmals beantrage.

Kläger befürchtet Arbeitslosigkeit

Mit hiergegen erhobenem Widerspruch machte der Kläger erfolglos geltend, über die nötige Fahrerfahrung und Fahrzeugnutzung zu verfügen. Als Rettungssanitäter lenke er fast täglich Einsatzfahrzeuge mit einer Gesamtmasse von knapp unter 3,5 Tonnen. Zudem habe er bereits Fahrstunden auf Fahrzeugen der Klasse C absolviert, ohne dass der Fahrlehrer seine Fahrweise beanstandet habe. Bei Versagung der Fahrerlaubnis drohten ihm die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses und damit einhergehend erhebliche wirtschaftliche Probleme.

Fahrerfahrung muss sich auf über 3,5 Tonnen schwere Fahrzeuge beziehen

Das VG Koblenz wies die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse C oder C1. Er erfülle die hierfür in der FeV an das Sehvermögen gestellten Anforderungen nicht. Das schlechtere Auge müsse danach grundsätzlich eine Tagessehschärfe von mindestens 0,5 aufweisen. Dass ausnahmsweise unter Berücksichtigung von Fahrerfahrung und Fahrzeugnutzung eine Erlaubnis auch bei einer Sehschärfe des schlechteren Auges zwischen 0,1 und 0,5 erteilt werden könne, helfe dem Kläger nicht weiter. Denn die Merkmale der Fahrerfahrung und Fahrzeugnutzung, die die Ausnahmeregelung fordere, bezögen sich auf Fahrzeuge der Gruppe 2. Der Kläger habe indes nur Fahrerfahrung mit leichteren Fahrzeugen der Gruppe 1 gesammelt.

Höhere Verantwortung bei schwereren Fahrzeugen erfordert höhere Sehkraft

Diese Auslegung der Vorschrift entspreche der durchgängigen Unterscheidung zwischen den Gruppen 1 und 2 in der FeV und stimme auch mit dem Sinn und Zweck der Regelung überein, so das VG. Die unterschiedlichen Anforderungen an das Sehvermögen seien auf das unterschiedliche Maß an Verantwortung beim Führen von Fahrzeugen der Gruppe 1 und solchen der Gruppe 2 zurückzuführen. Die verschiedenen Gruppen unterschieden sich nämlich mit Blick auf Größe, Gewicht, Manövrierfähigkeit und Anzahl der beförderten Personen.

Schutz von Leib und Leben geht vor

Die durchgeführten Fahrstunden ändern daran laut VG nichts. Denn "Fahrerfahrung" meine mehr als das Absolvieren der für die Fahrerlaubnis erforderlichen Ausbildung. Schließlich sei die Ablehnung der Fahrerlaubnis auch nicht unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber habe die grundsätzlich häufig vorkommenden negativen Auswirkungen der Verweigerung einer Fahrerlaubnis im privaten und beruflichen Bereich bei Schaffung der Regelung berücksichtigt. Diese seien im Interesse des Schutzes von Leib und Leben der anderen Verkehrsteilnehmer hinzunehmen. Gegen die Entscheidung können die Beteiligten Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz beantragen.

VG Koblenz, Urteil vom 30.04.2020 - 4 K 1332/19.KO

Redaktion beck-aktuell, 11. Mai 2020.