Hochdosis-Influenza-Impfstoff: Pharmaunternehmen scheitert vor Gericht

Neben dem einzigen bislang zugelassenen Hochdosis-Influenza-Impfstoff können weiterhin die konventionellen Impfstoffe gegen Influenza verimpft werden. Das hat das Landessozialgericht Hessen in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen ein Pharmaunternehmen entschieden, das diesen Hochdosis-Influenza-Impfstoff vertreibt. Diesem sei es zumutbar, auf die Hauptsacheentscheidung zu warten. Außerdem könne sich das Unternehmen nicht mit Erfolg auf eine Grundrechtsverletzung berufen.

Grünes Licht für Hochdosis-Influenza-Impfstoff mit einer vierfach höheren Dosierung

Der von dem in Frankfurt ansässigen Pharmaunternehmen vertriebene Hochdosis-Influenza-Impfstoff hat eine vierfach höhere Dosierung im Vergleich zu den bisherigen quadrivalenten Influenza-Impfstoffen. Dieser erste und bislang einzige Hochdosis-Influenza-Impfstoff wurde im Mai 2020 vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zugelassen. Im Januar 2021 empfahl die Ständige Impfkommission (STIKO) diesen Impfstoff für die Impfung von Personen ab 60 Jahren im Hinblick auf die signifikante, statistisch abgesicherte Überlegenheit der Impfwirksamkeit bei älteren Menschen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss daraufhin, in die Schutzimpfungs-Richtlinie einen entsprechenden Anspruch der Versicherten über 60 Jahren auf diesen Impfstoff aufzunehmen.

Verordnung erlaubt Standard-Impfstoff neben Hochdosis-Impfstoff

Mit Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen Influenza und Masern (Impfverordnung) wurde – zunächst befristet bis zum 31.03.2022 – geregelt, dass Versicherte ab 60 Jahren im Rahmen der Verfügbarkeit der vorhandenen Impfstoffe einen Anspruch auf eine Schutzimpfung mit einem inaktivierten, quadrivalenten Influenza-Impfstoff mit aktueller von der WHO empfohlener Antigenkombination haben. Der Anspruch auf einen Hochdosis-Influenza-Impfstoff bleibe hiervon unberührt. Im Sommer 2021 empfahl die STIKO für den Fall von Lieferengpässen, Versicherte ab 60 Jahren mit Influenza-Impfstoffen in Standarddosierung zu versorgen. Im Februar 2022 wurde sodann die Befristung der Impfverordnung um ein weiteres Jahr verlängert, so dass nunmehr bis zum 31.03.2023 von über 60-jährigen Versicherten auch der Standard-Impfstoff beansprucht werden kann. Durch diese Verlängerungsregelung sah sich das Pharmaunternehmen in seinen Rechten verletzt und beantragte einstweiligen Rechtschutz. Es drohe ein Umsatzverlust von über 53 Millionen Euro.

Warten auf Entscheidung im Hauptsacheverfahren zumutbar

Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht als Beschwerdeinstanz lehnten den Eilantrag ab. Das Pharmaunternehmen habe keinen Anspruch darauf, dass die Änderungsverordnung durch eine einstweilige Anordnung außer Vollzug gesetzt werde. Das Abwarten einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren sei für das Unternehmen nicht mit einer dringlichen Notlage verbunden, die eine sofortige Entscheidung erfordere, so das LSG. Gehe es – wie vorliegend – um die wirtschaftlichen Folgen einer angefochtenen Regelung, dann liege ein Anordnungsgrund nur vor, wenn der Antragsteller in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht sei. Eine wirtschaftliche Existenzgefährdung sei bei einem drohenden Umsatzverlust von über 53 Millionen Euro jedoch vorliegend nicht hinreichend belegt. Das Pharmaunternehmen veröffentliche auf seiner Webseite Umsatzzahlen für 2020 von rund 4,6 Milliarden Euro und hinsichtlich des weltweit tätigen Mutterkonzerns von rund 36 Milliarden Euro. Auch sei nicht dargelegt, in welchem Umfang sich ein eventueller Umsatzrückgang bei dem Hochdosis-Impfstoff auswirke, da das Pharmaunternehmen auch den Standard-Impfstoff herstelle.

Kein Berufen auf Verletzung von Art. 12 und 3 GG

Auch könne sich das Unternehmen nicht mit Erfolg auf eine Grundrechtsverletzung berufen. Das Grundgesetz schütze grundsätzlich nicht vor Konkurrenz. Auch sei eine ungerechtfertigte Schlechterstellung des Unternehmens durch die angefochtene Fristverlängerung nicht festzustellen. Es obliege weiterhin der fachlichen Einschätzung des behandelnden Arztes, ob einem Versicherten über 60 Jahren der Hochdosis- oder der Standard-Impfstoff verabreicht werde. Ferner begründe Art. 12 GG keinen Anspruch auf eine "Monopolstellung auf dem Markt der Grippe-Impfstoffe für über 60-jährige Versicherte". Eine gegen Art. 3 GG verstoßende willkürliche Benachteiligung sei vorliegend auch nicht erkennbar.Schließlich wies das Gericht darauf hin, dass es aus Gründen der Versorgungssicherheit – insbesondere während der COVID-Pandemie – nicht zu beanstanden sei, den Marktzugang für sämtliche rechtlich zugelassene Influenza-Impfstoffe offenzuhalten, um hierdurch Versorgungsengpässe zu vermeiden.

LSG Hessen, Beschluss vom 26.07.2022 - L 8 KR 125/22 B ER

Gitta Kharraz, 26. Juli 2022.