Hessen macht sich im Bundesrat für längeren Insolvenzschutz stark

Hessen setzt sich angesichts der verzögerten Auszahlung staatlicher Corona-Hilfen dafür ein, den Insolvenzschutz für krisengeplagte Unternehmen um zunächst zwei Monate zu verlängern. Das Land wolle im Bundesrat tätig werden und auf eine entsprechende Änderung des Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes hinwirken, so Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) und Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) am 15.01.2021.

Meldepflichten bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit befristet abgeschwächt

Aufgrund der Corona-Pandemie und der zunächst kaum abschätzbaren negativen Folgen für die Wirtschaft hatte die Bundesregierung im Frühjahr 2020 die strengen Meldepflichten für Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit außer Kraft gesetzt. Für Zahlungsunfähigkeit gilt die Antragspflicht seit Oktober 2020 wieder, für Überschuldung gibt es bis Ende Januar 2021 noch Ausnahmen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) stellte eine weitere Schonfrist für jene Betriebe in Aussicht, die noch auf die Auszahlung der seit November 2020 vorgesehenen staatlichen Hilfen warten. Sie setze sich dafür ein, die Antragspflicht für diese Unternehmen über den 31.01.2021 hinaus auszusetzen.

Verzögerte Auszahlungen sollen Unternehmen nicht in Insolvenz treiben

Al-Wazir und Boddenberg begründeten ihren Vorstoß damit, dass verhindert werden solle, grundsätzlich gesunde Unternehmen durch die Coronakrise in die Insolvenz rutschen zu lassen. "Es wäre ja absurd, wenn ein Unternehmen einen berechtigten Antrag auf Hilfsgelder gestellt hat, dieses Geld die Insolvenz verhindern würde, aber es wegen der verzögerten Auszahlung trotzdem Insolvenz anmelden muss", warnten sie. "Dieser Schritt wäre nicht mehr rückgängig zu machen, weil die Hilfsgelder an ein Unternehmen in einem Insolvenzverfahren nicht mehr ausgezahlt werden dürften." Auch der Unions-Fraktions-Vize Thorsten Frei (CDU) betonte, gesunde Unternehmen dürften durch die Corona-Krise nicht in die Insolvenz rutschen. "Vorsorglich prüfen wir, ob es einer Verlängerung bedarf. Denn wir wollen schließlich sicherstellen, dass die Hilfen auch wirklich bei den Unternehmen, die sie nötig haben, ankommen", sagte er dem "Handelsblatt".

DIW-Präsident hält weiteres Aussetzen der Insolvenzantragspflicht für sinnlos

Vorbehalte gegen eine Verlängerung der Ausnahme äußerte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Vorübergehend sei das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht "klug und richtig" gewesen. "Es ist aber nun der Zeitpunkt gekommen, um Bilanz zu ziehen und festzustellen, welche Hilfen Unternehmen benötigen, um überleben zu können, und welche Unternehmen diese Pandemie nicht überleben werden", sagte Fratzscher dem "Handelsblatt". Eine weitere Verzögerung der Antragspflicht werde für die allermeisten Unternehmen keine grundlegende Veränderung in ihrer wirtschaftlichen Lage bringen.

Redaktion beck-aktuell, 18. Januar 2021 (dpa).