Kompromiss gesucht: SPD will Lieferkettenrichtlinie retten
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Im Ringen um die geplante neue Lieferkettenrichtlinie versucht die SPD, den Koalitionspartner FDP doch noch zur Zustimmung zu bewegen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil legt neue Vorschläge vor, die deutsche Unternehmen entlasten sollen. Entwicklungsministerin Svenja Schulze bietet verstärkte Beratung an.

Die geplante neue Lieferkettenrichtlinie droht am Widerstand der FDP zu scheitern. Die von den Liberalen geführten Ministerien für Justiz und für Finanzen haben sich kurz vor den abschließenden Beratungen gegen die Pläne gestellt. SPD und Grüne sind für ein Ja Deutschlands bei der EU-Abstimmung. Bei Uneinigkeit in der Koalition müsste sich Deutschland enthalten, wodurch die gesamte Regelung in der EU scheitern könnte. Aus EU-Kreisen hieß es, es sei nun unklar, ob es unter den EU-Ländern jetzt noch eine ausreichende Mehrheit für das Vorhaben geben wird. Damit steht eines der Leuchtturmprojekte der EU-Handelspolitik auf der Kippe. Die belgische Ratspräsidentschaft wolle das Vorhaben aber weiter vorantreiben. Es werde an einer Einigung gearbeitet, hieß es. Die entscheidende Sitzung ist für kommende Woche anberaumt.

Der Bundesarbeitsminister legte derweil neue Vorschläge vor, um eine Enthaltung Deutschlands zu vermeiden. Er betonte, einheitliche Standards seien im Interesse der im Wettbewerb stehenden deutschen Unternehmen, "aber auch im Interesse unserer Werte und Menschenrechte." Kinder- und Zwangsarbeit würden bekämpft. Um der FDP entgegen zu kommen, schlug er vor, bürokratische Lasten abzubauen. Das könne auch durch deutsche Sonderregeln geschehen. So sollen die jährlichen Berichtspflichten der Unternehmen durch das deutsche Lieferkettengesetz ausgesetzt werden. Betroffenen sind laut Heils Eckpunkten rund 3.000 Unternehmen, die gegenwärtig regelmäßig über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten gegen Kinderarbeit und für Menschenrechte einen Bericht veröffentlichen müssen, der vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle überprüft wird.

Stärker entlastend berücksichtigt werden soll zudem, wenn in einem Land, in dem Produkte für den deutschen Markt hergestellt werden, ein niedrigeres Niveau von Rechtsdurchsetzung herrscht. Mehr Raum soll es für Initiativen ganzer Branchen geben, die einzelne Unternehmen entlasten können.

"Der Fortschritt ist eine Schnecke"

Auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze wirbt bei der FDP um Zustimmung zu der geplanten Lieferkettenrichtlinie und bietet Unternehmen verstärkte Beratung an. Sie biete den Unternehmen an, Unterstützungsangebote für die Umsetzung der neuen Regeln in Deutschland und im Ausland künftig weiter auszubauen.

Unterstützung gab es auch von den Grünen. Fraktionschefin Katharina Dröge lobte die Vorschläge von Heil. Die Grünen-Verhandlungsführerin im Handelsausschuss des Europaparlaments, Anna Cavazzini, mahnte: "Mit der plötzlichen Vollbremsung auf den letzten Metern würde die FDP dem Ansehen Deutschlands auf europäischer Ebene schaden."  Bereits beim Streit um ein Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor hatte Deutschland - vor allem auf Drängen der FDP - Nachforderungen gestellt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lässt seinerseits vorerst offen, ob er das Nein des Koalitionspartners ohne weitere Diskussionen akzeptieren wird. "Ich muss jetzt zunächst mal zur Kenntnis nehmen, dass es keinen Konsens in der Regierung gibt, dass all das, was wir an Verständigung in Europa erreicht haben, ausreicht", sagte er am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Er könne "jetzt erst mal keinen anderen Bericht geben".  "Der Fortschritt ist eine Schnecke", fügte er hinzu.

Justizminister Buschmann und Finanzminister Lindner hatten kritisiert, die neue Richtlinie werde dazu führen, dass Unternehmen für Pflichtverletzungen in der Lieferkette in erheblicher Weise zivilrechtlich haften. Außerdem wären deutlich mehr Unternehmen betroffen als nach aktueller deutscher Rechtslage. Auch der Bausektor solle als sogenannter Risikosektor eingestuft werden.

Redaktion beck-aktuell, mm, 2. Februar 2024 (dpa).