Hans-Jürgen Papier spricht sich für Abschaffung des Soli-Zuschlags aus

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat sich für die Abschaffung des steuerlichen Solidaritätszuschlags ausgesprochen. In einem öffentlichen Fachgespräch des Finanzausschusses des Bundestages unter Leitung der Vorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) erklärte Papier am 27.07.2018, der Solidaritätszuschlags sei mit dem Ende des Solidarpakts II verfassungsrechtlich nicht mehr zu rechtfertigen. Die Mehrheit der übrigen Sachverständigen sprach sich ebenfalls für die Abschaffung des Steuerzuschlags aus. Dem Fachgespräch lagen zwei Fraktionsinitiativen zugrunde: Der FDP und der AfD.

FDP und AfD sehen in Fortsetzung Verstoß gegen das Grundgesetz

Die Fraktion der AfD fordert "sofortige und uneingeschränkte" Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Dieser sei verfassungswidrig, da der Zweck der Sicherung des einigungsbedingten Mittelbedarfs des Bundes inzwischen weggefallen sei und der Ausnahmecharakter der Ergänzungsabgabe eine dauerhafte und immerwährende Erhebung dieser Steuer verbiete. Die FDP begründet ihr Abschaffungsbegehr mit dem bei der Einführung des "Soli" gegebenen Versprechen, er sei nur befristet. Bei Erlass des unbefristeten Solidaritätszuschlaggesetzes sei 1995 mittelfristig dessen Überprüfung zugesagt worden. "Der zur Vollendung der deutschen Einheit aufgelegte Solidarpakt II läuft 2019 aus, so dass auch die Legitimation des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 spätestens zu diesem Zeitpunkt wegfällt", begründete die FDP-Fraktion ihren Vorstoß. Einen Fortbestand des Solidaritätszuschlags hält die Fraktion für einen Verstoß gegen das Grundgesetz.

Papier für Abschaffung statt Abschmelzung

Papier stützte diese Auffassung: Aus Gründen der rechtsstaatlich gebotenen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sollte der Gesetzgeber selbst den Eintritt eines verfassungswidrigen Zustands vermeiden und das Gesetz mit Wirkung zum 01.01.2020 aufheben. Die finanzpolitische und finanzverfassungsrechtliche Sonderlage einer besonderen Aufbauhilfe zugunsten der neuen Länder könne als eindeutig beendet betrachtet werden. Papier erteilte auch den Plänen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eine Absage, den Zuschlag allmählich abzuschmelzen: "Auf jeden Fall stellt es keine verfassungsrechtlich zulässige Übergangsregelung dar, sollte der Solidaritätszuschlag zum 01.01.2020 nur für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen entfallen, im Übrigen aber noch weitere Jahre in vollem Umfang erhoben werden.

BDI und Bund der Steuerzahler stimmen Papier zu

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Bund der Steuerzahler argumentierten ähnlich wie Papier. Für einen dauerhaften Erhalt des Solidaritätszuschlags und eine Integration in die Ertragsteuern fehle eine verfassungsrechtliche Legitimation. Zudem wäre es auch ein schlechtes Signal für den Unternehmensstandort Deutschland, argumentierte der BDI. Auch der Bund der Steuerzahler erklärte, der Zuschlag solle ab Januar 2020 nicht mehr erhoben werden. Die von der Koalition geplante Teilabschaffung ab 2021 sei aus verfassungsrechtlicher Sicht "höchst problematisch".

Befürworter der Abschaffung

Der Steuerberater Cornelius Volker erklärte, die Historie, die verfassungsrechtliche Problematik und die ökonomischen Voraussetzungen "sprechen ausnahmslos für die sofortige Abschaffung des Solidaritätszuschlags". Das sei ein längst überfälliger Schritt zur Standortförderung. "Jahrzehnte nach der wirtschaftlichen Transformation in den neuen Ländern ist der Solidaritätszuschlag nicht mehr zu rechtfertigen", stellte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) fest. Da seine Abschaffung aber nur Besserverdiener entlaste, konnte sich Bach vorstellen, den Zuschlag bei hohen Einkommen in den Einkommensteuertarif zu integrieren. Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen könnten darüber hinaus noch bei den Sozialbeiträgen oder bei der Mehrwertsteuer entlastet werden.

Befürworter eines weiten gesetzgeberischen Spielraums

Professor Frank Hechtner (Technische Universität Kaiserslautern) hielt hingegen eine Anhebung der bestehenden Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag für zulässig - wenigstens für eine Übergangszeit. Professor Henning Tappe (Universität Trier) hielt die Abschaffung im Gegensatz zu Papier und anderen Sachverständigen für verfassungsrechtlich nicht geboten. Politisch sei sie gleichwohl möglich. Eine schrittweise Entlastung, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, sah Tappe als verfassungsrechtlich zulässig an. Der Gesetzgeber habe bei der Tarifgestaltung von Steuern einen weitreichenden Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum, "die dieser politisch auch durch Kompromisslösungen oder durch schrittweises Vorgehen lösen kann".

Kritik an Abschaffungsplänen

Professor Karl-Georg Loritz (Universität Bayreuth) sagte, mit dem Ende des Solidarpakts II falle der Finanzierungsbedarf nicht zwingend und gleichsam automatisch weg. Der Zuschlag müsse aber mit einer neuen Rechtfertigung unterlegt werden. Sofern die Aufgaben konkret bezeichnet und ein Mittelbedarf dargelegt werden könne, könnte der Zuschlag auch über 2019 hinaus erhoben werden. Kritik übte Loritz aber an der Absicht der Koalition, nur kleine und mittlere Einkommen zu entlasten und 90 Prozent aller potenziellen Zahler von der Entlastung auszunehmen. Das zeige, dass es vorrangig um die Verwirklichung einer "verteilungspolitischen Belastungsentscheidung" gehe, was geeignet sei, "die Rechtfertigung des besonderen Finanzierungsbedarfs durch den Bund insgesamt in Frage zu stellen.

Die Befürworter einer Beibehaltung

Katja Rietzler (Hans-Böckler-Stiftung) lehnte die Abschaffung des Zuschlags aus verteilungspolitischer Sicht ab. Da nahezu das gesamte Aufkommen des Solidaritätszuschlags von der oberen Hälfte der Einkommensbezieher aufgebracht werde, würde dessen Abschaffung nichts zur Entlastung von Beziehern unterer Einkommen und wenig zur Entlastung von Beziehern mittlerer Einkommen beitragen. Außerdem sei die Abschaffung aus fiskalischer Sicht nicht zu verantworten.

Redaktion beck-aktuell, 29. Juni 2018.