Handel, Gastgewerbe und Mittelstand wollen gegen Lockdown klagen

Angesichts der beschlossenen Lockdown-Verlängerung haben sich Wirtschaftsverbände enttäuscht gezeigt. Gastgewerbe, Tourismus, Mittelstand und Immobilienwirtschaft fehlen klare Perspektiven. Der Mittelstand kritisierte "unverbindliche Versprechungen", der Handel vermisst den "versprochenen Plan zum Ausstieg aus dem Lockdown" und kündigte Klagen vor Gerichten an. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) lud zu einem "Wirtschaftsgipfel" ein.

"Wirtschaftsgipfel" mit Minister

Bei dem nunmehr für kommenden Dienstag, den 16.02.2021, geplanten "Wirtschaftsgipfel" soll es nach Angaben des Ministeriums um die Corona-Beschlüsse, Wirtschaftshilfen und mögliche Öffnungsperspektiven gehen. Der Handelsverband Bayern will gegen die nun bis 7. März angeordneten Schließungen klagen. Auch der Unitex-Einkaufsverbund mit 800 angeschlossenen Mode-Einzelhändlern hat Eilanträge auf Wiedereröffnung angekündigt. Der Handelsverband in Rheinland-Pfalz rechnet mit einer Klagewelle.

Enttäuschung bei Dehoga

Die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Ingrid Hartges, bemängelte, dass es immer noch keine Öffnungsperspektive gebe: "Dass Hotels und Restaurants in dem vorliegenden Beschluss mit keinem Wort erwähnt werden, löst in der Branche Frust und Verzweiflung aus." Man habe zwar nicht mit einem konkreten Öffnungsdatum gerechnet, aber definitiv mit einer Aussage, wann und unter welchen Voraussetzungen Hotels und Restaurants wieder Gäste empfangen dürfen. Die Branche erwarte spätestens zu den nächsten Beratungen am 03.03.2021 einen Fahrplan für den Re-Start des Gastgewerbes.

HDE wirft der Politik Wortbruch vor

Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) zeigte sich bestürzt und warf der Politik Wortbruch vor. Die Politik bleibe in dieser dramatischen Situation den vor Wochen versprochenen Plan zum Ausstieg aus dem Lockdown schuldig, klagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Viele Einzelhändler bringe das in eine ausweglose Lage. Jeder durch den Lockdown verlorene Verkaufstag kostet die Einzelhändler laut HDE Umsätze in Höhe von rund 700 Millionen Euro.

Tourismusbranche erwartet Konzept für Neustart

Der Deutsche Tourismusverband (DTV) kritisierte fehlende Perspektiven für die von der Krise hart getroffene Branche. "Es ist kein Konzept, klein Plan, keine Strategie ersichtlich, wie es weitergehen soll", beklagte DTV-Geschäftsführer Norbert Kunz. Die Tourismus erwarte ein planbares, bundeseinheitliches und nachvollziehbares Konzept für den Neustart, dies sei auch in der vorhergehenden Bund-Länder-Runde angekündigt worden. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) Michael Frenzel, kritisierte: "Mehr als nüchternes Abraten vom Reisen fällt der Politik nach wie vor nicht ein." Der anhaltende Stillstand und die anhaltende Perspektivlosigkeit zermürbten und zerstörten die Tourismuswirtschaft.

Wirtschaft ohne Fahrplan

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft kritisierte, es fehle noch immer ein klarer Fahrplan für den "Lockoff" der Wirtschaft sowie ein Wirtschaftsgipfel mit Experten des Mittelstands, den Gewerkschaften und der Politik. "Wieder vertröstet die Bundesregierung den Mittelstand mit unverbindlichen Versprechungen und lässt diesen bettelnd am Tropf der Überbrückungshilfen hängen", sagte Bundesgeschäftsführer Markus Jerger. Auch der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, bemängelte eine weiterhin fehlende Perspektive für eine Öffnung des Handels. Ebenso der Bundesverband der Industrie (BDI) kritisierte fehlende Aussichten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat eine klare Aussicht für die Unternehmen und Geschäfte gefordert. Viele Unternehmen stünden am Rande ihrer Existenz und die Lage werde sich in den nächsten Monaten noch dramatisch verschlechtern.

Friseursalons dürfen öffnen

Einzig die Friseurbranche kann aufatmen und freut sich auf den Wiederbeginn - ab dem 1. März dürfen Friseurinnen und Friseure wieder Hand anlegen. Harald Esser, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks, sagte: "Endlich haben wir eine Perspektive und Planungssicherheit." Für viele Inhaber der 80.000 Salons in Deutschland seien die Wochen der Schließung existenzbedrohend. Die Stimmung in der Branche sei angespannt gewesen, auch wegen einer Zunahme der Schwarzarbeit. Nun kann sich die Branche kaum retten vor Anfragen. "Wir bekommen unzählige Mails und Anrufe - eigentlich will jeder Kunde schon in der ersten Woche drankommen", sagte Esser. Eine Solinger Friseurmeisterin berichtete, dass sie am Mittwochabend zwei Stunden Sport gemacht und danach 150 Nachrichten von Kunden auf ihrem Handy hatte.

Redaktion beck-aktuell, 12. Februar 2021 (dpa).