Marburger Modell bei häuslicher Gewalt wird erweitert

Das seit 2011 im Landgerichtsbezirk Marburg und seit 2016 in leicht abgewandelter Form im Landgerichtsbezirk Kassel durchgeführte Marburger Modell wird künftig auf viele hessische Landgerichtsbezirke ausgedehnt. Das teilte das hessische Justizministerium am 31.08.2020 mit. Kern des Marburger Modells ist die Optimierung und Beschleunigung der Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten in Fällen häuslicher Gewalt. 

Zeitfenster für Zusammenarbeit sehr kurz

Auch werden frühzeitig Beratungsangebote für die Opfer, aber auch Trainingsangebote für die Täter vermittelt. “Erfahrungsgemäß sind sowohl das Opfer als auch der Täter kurze Zeit nach der Tat noch offen für Beratungsangebote, das Opfer möchte aussagen und der Täter möchte an sich arbeiten“, erläuterte Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) das Modell. Dieses Zeitfenster schließe aber sehr rasch. Das schnelle Aufsuchen des Opfers und des Täters durch die Gerichtshilfe signalisiere dem Opfer, dass der Staat etwas zu seinem Schutz unternimmt, dem Täter werde vermittelt, dass sein Handeln nicht toleriert werde.

Ablauf im Marburger Modell

Und so läuft das Modell in der Praxis ab: Nach einem Vorfall von häuslicher Gewalt benachrichtigt die gerufene Polizei die Gerichtshilfe. Es kommt umgehend zu intensiven Gesprächen mit den Opfern, die über ihre aktuelle familiäre und häusliche Situation, den Beziehungsverlauf und die wirtschaftliche Situation berichten können. Auch wird der Tathergang besprochen. Es erfolgt eine Vermittlung an spezialisierte Fach- und Beratungsstellen, etwa an die Ehe- und Familienberatung. Auch die Ausarbeitung eines Notfallplans sowie die Begleitung zur Vernehmung bei der Polizei werden angeboten. Dies alles findet auf freiwilliger Basis statt.

Täter soll sich sofort mit der Tat auseinandersetzen

Aber auch der Täter wird nach Auskunft des Justizministeriums in die schnelle Aufarbeitung einbezogen. So nimmt im weiteren Verlauf die Gerichtshilfe Kontakt zu ihm auf und er erhält die Möglichkeit, das Vorgefallene aus seinem Blickwinkel darzustellen. Es soll eine Auseinandersetzung mit der Tat stattfinden und Handlungsstrategien erarbeitet werden, wie zukünftig in einer Akutsituation reagiert werden kann. Zudem werden Beratungs- und Trainingsprogramme vermittelt.

Nachbesprechung nach 3 Monaten

Nach Ablauf von drei Monaten findet eine Nachbesprechung statt. Hierzu wird mit den Beteiligten erörtert, ob sich Veränderungen in der Situation oder weiterer Gesprächs- oder Hilfsbedarf ergeben haben. "Sämtliche Schritte werden in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft durchgeführt“, so Kühne-Hörmann.

Justizministerin sieht Marburger Modell als Erfolgsprojekt

Die CDU-Politikerin ist von der praktischen Wirksamkeit des Marburger Modells überzeugt: "Beim Marburger Modell handelt es sich um ein Erfolgsprojekt, von dem nun viele Landgerichtsbezirke profitieren können.“ Das schnelle und vernetzte Eingreifen aller betroffenen Stellen führe dazu, dass die Position des Opfers deutlich gestärkt werde und dem Täter frühzeitig aufgezeigt werde, dass der Staat sich der Sache kompromisslos annehme.

Redaktion beck-aktuell, 1. September 2020.