Ab Mittwoch zeigt das ZDF die erste Folge einer neuen Ratgeberreihe zu juristischen Themen. "Hab ich Recht? Drei Richter für alle Fälle" wird um 19:25 Uhr ausgestrahlt und ist zugleich in der Mediathek verfügbar. Bisher wurden drei Folgen des Infotainment-Formats produziert.
Drei Richterinnen und Richter empfangen in der Serie Menschen mit einem juristischen Problem und erklären ihnen die Rechtslage. Alle drei haben jahrzehntelange Erfahrung an Amts- und Landgerichten gesammelt und bringen Expertise in verschiedenen Rechtsgebieten mit. So ist Helga Bischoff Familienrechtlerin, Anette Heiter kennt sich im Miet- und Verkehrsrecht aus und Ronald Hinz ist Experte für Vertragsrecht.
Das Setting der Serie erinnert dabei an eine Art Sprechstunde. Die Richterinnen und Richter sitzen am Schreibtisch, umgeben – wie es sich gehört – von Büchern und Akten, und empfangen die Rechtsuchenden mit Handschlag und freundlichem Lächeln. Die Menschen schildern ihr Rechtsproblem und erhalten sodann juristischen Input. Ein Gespräch dauert etwa sechs Minuten. Dann ist der nächste Fall dran.
Es menschelt sehr
"Echte Fälle, echte Schicksale" heißt es in der Einleitung – und das verrät auch schon viel über die Stoßrichtung des Formats. Die Rechtsuchenden sind durchschnittliche Leute, man kann sich mit ihnen identifizieren. Auch ihre Rechtsprobleme stammen meist aus der Kategorie "Kann jedem passieren". So pflegt die eine ihre kranke Mutter und hat Probleme mit dem früheren Betreuer, die andere ist einem Betrüger im Internet aufgesessen. Und die Richterinnen und Richter? Wirken nahbar. Sie sind verständnisvoll, machen Witze und erzählen von ihren skurrilsten Fällen. Die Botschaft ist klar: Wir sind auch nur Menschen.
Dabei gelingt es auch recht gut, die Sachverhalte rechtlich einzuordnen. Obwohl die Richterinnen und Richter klar in der Rolle der Ratgeber sind, bemühen sie sich um Augenhöhe. Sie erklären Verjährungsfristen, erzählen vom Unterschied zwischen Eigentümer und Besitzer, sagen, was in einem guten Vertrag drinstehen muss. Und das alles, ohne Begriffe wie Vindikationslage oder essentialia negotiii in den Mund zu nehmen. So servieren sie Jura in gut verdaulichen Häppchen. Die betreffenden Normen werden am Bildschirmrand eingeblendet. Ab und zu stellt eine Frauenstimme aus dem Off juristische Nachfragen wie: "Ist der Anspruch also begründet?".
Es ist ein verdienstvoller Versuch der Rechtskommunikation. Das Format will den Graben überwinden zwischen dem natürlichen Rechtsempfinden, das die Menschen mitbringen, und ihrer Unsicherheit ob des Dickichts von Ansprüchen und Tatbeständen in deutschen Gesetzbüchern. Menschen glauben, dass sie Recht haben, und wollen dies von den Richterinnen und Richter bestätigt haben. Und genau da beginnt das Problem.
"Ich darf Ihnen keinen Rechtsrat geben"
"Ich darf Ihnen keinen Rechtsrat geben." Diesen Satz wiederholen die drei bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Und er ist natürlich wahr: Eine Rechtsberatung darf nach dem RDG nur von Anwältinnen und Anwälten durchgeführt werden. Für die Protagonisten der Serie ist das aber furchtbar unbefriedigend. Sie kommen mit einem speziellen Problem, die Richterinnen und Richter dürfen dagegen nur über die allgemeine Rechtslage reden.
Einmal lehnt sich Anette Heiter weit aus dem Fenster und sagt: "Sie haben mit Sicherheit einen Schadensersatzanspruch." Doch schon muss sie wieder zurückrudern: "Einen Rechtsrat darf ich Ihnen nicht erteilen. Dafür haben wir Anwälte." Nur, warum sitzen dann keine Anwältinnen oder Anwälte hinter diesen Schreibtischen? Dachte das Produktionsteam der Serie vielleicht, Richterinnen und Richter hätten das bessere Image? Seien weiser? Stünden eher für eine ausgewogene rechtliche Sicht der Dinge?
Dabei tun die Fernseh-Richterinnen und -Richter in der Serie etwas für ihren Beruf sehr Untypisches: Sie hören sich nur eine Seite der Geschichte an. Und obwohl sie allen Rechtsuchenden etwas mit auf den Weg geben können, ist doch spürbar, wie verdruckst sie an der Grenze der Einzelfallberatung herumtänzeln. Insgesamt ein unstimmiges Bild.
Richter offenbaren die Schwächen der Justiz
Und die erste Folge von "Hab ich Recht?" hinterlässt noch einen anderen unbefriedigenden Eindruck. Einen, der ganz und gar nicht auf einen Fehler im Serien-Konzept zurückzuführen ist. Die Richterinnen und Richter empfehlen fast ausschließlich außergerichtliche Lösungen. Eine Klage? Das sei zu teuer, zu langwierig, wenig erfolgversprechend.
Damit treffen sie wohl tatsächlich einen wunden Punkt der deutschen Justiz. Zivilklagen gehen seit Jahren zurück. Studien bestätigen, dass Verfahrensdauern zunehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher bei kleinen Streitwerten den Aufwand und die Kosten eines Gerichtsverfahrens scheuen.
Natürlich sollen Gerichte auf eine gütliche Einigung hinwirken und niemanden zu einer Klage mit geringen Erfolgschancen überreden. Doch das Gefühl, dass die Justiz für ihre Bürgerinnen und Bürger da ist, will sich in der Serie nicht so richtig einstellen. Stattdessen verweisen die Fernseh-Richterinnen und -Richter auf Schlichtungsstellen, raten Betroffenen, sich gegenseitig zu helfen, oder es schlicht gut sein zu lassen. "Die Justiz hat Grenzen", bringt es Richterin Anette Heiter in ihrem Schlusswort auf den Punkt. "In manchen Fällen sind wir hilflos."
Ob die Zuschauerinnen und Zuschauer der Serie etwas Rechtswissen mitnehmen können? Bestimmt. Immer wieder streuen die Richterinnen und Richter brauchbare Tipps ein. Sicher gibt es auch ein Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger, sich juristisch selbst zu ermächtigen und über die eigenen Rechte Bescheid zu wissen. Die Serie möchte zeigen, dass Recht auch menschlich, nahbar und verständlich sein kann. Doch leider bleibt nach der ersten Folge von "Hab ich Recht?" vor allem der Eindruck, dass Recht zu haben nicht immer bedeutet, auch Recht zu bekommen.