Dieses Gutachten beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern Staaten durch internationales Recht zu stärkeren Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel verpflichtet sind. Angestrengt wurde es durch eine Gruppe von neun kleinen Inselstaaten im Pazifik und der Karibik, die sich durch den aufgrund der Erderwärmung steigenden Meeresspiegel in ihrer Existenz bedroht sehen. Gegründet von Tuvalu, Antigua und Barbuda, gehören der Kommission der kleinen Inselstaaten für Klimawandel und Völkerrecht (COSIS) auch die Bahamas, Niue, Palau, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen sowie Vanuatu an.
Der Gerichtshof stellte in seiner Stellungnahme am Dienstag fest, dass von Menschen verursachte Treibhausgase eine Verschmutzung der Meere darstellen. Die Staaten seien nach dem UN-Seerechtsabkommen verpflichtet, Maßnahmen gegen die Verschmutzung durch Treibhausgase zu ergreifen. Die Unterzeichner des Übereinkommens hätten deshalb "die konkrete Verpflichtung, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Meeresverschmutzung durch menschengemachte Treibhausgasemissionen zu verhindern, zu verringern und zu kontrollieren, und sich in diesem Zusammenhang um eine Harmonisierung ihrer Politik zu bemühen", heißt es in dem Gutachten, das zwar nicht bindend ist, aber großen Einfluss auf künftige Entscheidungen internationaler Gerichte in Klimafragen haben könnte.
Demnach sollten die Klima-Maßnahmen unter Berücksichtigung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse festgelegt werden und insbesondere das Ziel verfolgen, den globalen Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, so die Richter. Ausdrücklich wurde dabei auf Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes verwiesen: Die Unterzeichnerstaaten müssten "direkt oder über kompetente internationale Organisationen kontinuierlich, sinnvoll und nach Treu und Glauben zusammenarbeiten, um Meeresverschmutzung durch menschengemachte Treibhausgasemissionen zu verhindern, zu reduzieren und zu kontrollieren".
Vertreter der Inselstaaten werten Gutachten als wichtigen Erfolg
COSIS-Vertreter werteten das Gutachten als wichtigen Erfolg. Der Klimawandel sei die größte existenzielle Bedrohung für Länder wie ihres, sagte die tuvaluische Diplomatin Eselealofa Apinelu nach der Verlesung in dem UN-Gericht in Hamburg-Nienstedten. "Wir sind dankbar für dieses Gutachten." Der Ausstoß von Treibhausgasen sei nicht nur für den Anstieg des Meeresspiegels und das Korallensterben verantwortlich. Durch den Klimawandel steige auch die Gefahr schwerer Unwetter, durch die das Leben vieler Menschen in den Inselstaaten bedroht sei.
"Der heutige Tag markiert einen historischen Meilenstein auf unserem gemeinsamen Weg zu Umweltgerechtigkeit und Klimaregulierung", sagte der Rechtsvertreter der Inselstaaten vor dem UN-Gericht, Payam Akhavan. Mit dem Gutachten werde deutlich, dass es nicht ausreichend sei, wenn Staaten zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels nur unzureichende Klimapläne vorlegten.
Auch Umweltorganisationen begrüßten das Gutachten. Es ziehe Länder, "die Meeresschutz vernachlässigen, endlich zur Rechenschaft", sagte die Greenpeace-Meeresbiologin Franziska Saalmann. "Damit hat der Internationale Seegerichtshof die klare Aussage getroffen: Meeresschutz ist Klimaschutz." Die 169 Unterzeichner des Seerechtsübereinkommens müssten nun "ins Handeln kommen und einen effektiven Meeresschutz priorisieren".
Zur Bewältigung der Klimakrise sei die Welt auf die Meere angewiesen, sagte Julika Tribukait, Meeresschutzexpertin beim WWF Deutschland. "Sie puffern einen Großteil des Temperaturanstiegs ab, doch die Meere leiden dabei massiv: Mit der Erwärmung der Ozeane beginnt eine Kaskade aus schmelzendem Meereis, steigendem Meeresspiegel, marinen Hitzewellen, Versauerung und Sauerstoffentzug der Meere, deren Anzeichen bereits überall sichtbar sind."
Das erste, aber nicht das letzte Gutachten
Das Gutachten des Internationalen Seegerichtshofs ist das erste dieser Art. Auch beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag ist auf Antrag der UN-Vollversammlung ein entsprechendes Gutachten anhängig, ebenso beim Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Die Grundlegenden Regelungen für nahezu alle Bereiche des Seevölkerrechts bestimmt das UN-Seerechtsübereinkommen. Darin verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, die Meeresumwelt zu schützen und zu bewahren. So müssen etwa Maßnahmen gegen die Verschmutzung der Meere ergriffen werden. Zu den knapp 170 Unterzeichnern gehören neben Deutschland auch die EU und China, nicht aber die USA.