Gutachten: Klare Pandemie-Vorgaben des Bundes an Länder möglich

Der Bund kann den Ländern über das Infektionsschutzrecht weitreichende Vorschriften zur Bekämpfung der Corona-Pandemie machen, die diese genau umzusetzen hätten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Demnach darf der Bund “die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vollumfänglich gesetzlich regeln“, weil er die Gesetzgebungskompetenz für das Infektionsschutzrecht hat.

Bund kann strikte und verbindliche Regelungen zum Infektionsschutz treffen

Wörtlich heißt es in der von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) in Auftrag gegebenen Ausarbeitung: “Es ist zulässig, dass der Bundesgesetzgeber detailreiche und strikte Regelungen trifft, die weitgehend auf unbestimmte Rechtsbegriffe verzichten und so wenig wie möglich Ermessen einräumen. Beim Gesetzesvollzug durch die Länder bestünde in einem solchen Fall wenig Spielraum.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den Ländern am Sonntag zu erkennen gegeben, dass der Bund von den Möglichkeiten des Infektionsschutzgesetzes Gebrauch machen könnte, wenn diese die bereits beschlossenen Maßnahmen gegen die Pandemie nicht umsetzen. Sie ließ bislang offen, an welche Punkte sie konkret denkt.

Regelungsbefugnis erstreckt sich auch auf Infektionsschutz an Schulen

Nach der Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags darf der Bund zum Beispiel vorgeben, welche konkreten Maßnahmen im Fall der Überschreitung eines bestimmten Inzidenzwertes in einem Gebiet - etwa in einem Landkreis - ergriffen werden müssen. Er kann demnach auch Maßnahmen zum Infektionsschutz in Schulen anordnen. Zwar liege das Schulwesen nach dem Grundgesetz in der ausschließlichen Kompetenz der Länder. Übe der Bund seine Kompetenz aber auf dem Gebiet des Infektionsschutzes aus, indem er zum Beispiel die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen normierte, so täte er dies nicht mit dem Ziel, das Schulwesen zu regeln. Der Schwerpunkt solcher Maßnahmen läge im Bereich des Infektionsschutzes und beträfe nicht das Schulrecht, heißt es in dem Gutachten.

Seehofer: Bundesrat muss beteiligt werden

Eine neue gesetzliche Regelung könnte nach Einschätzung von Bundesinnenminister Horst Seehofer dagegen nicht an den Ländern vorbei beschlossen werden. "Wir schätzen es so ein, dass so ein Gesetz mit höchster Wahrscheinlichkeit zustimmungspflichtig wäre im Bundesrat", sagte der CSU-Politiker am Dienstag in Berlin. Er persönlich fände es aber richtig, wenn bundesweit einheitlich reagiert werde, wenn die Zahl der Corona-Infizierten pro Woche pro 100.000 Einwohner in einem Gebiet einen bestimmten Wert erreicht habe, sagte Seehofer. Seehofer hatte in einem Interview zuvor erklärt, er halte die Ministerpräsidentenkonferenzen mit der Kanzlerin für das falsche Format zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Besser wäre es, die notwendigen Maßnahmen durch Bundestag und Bundesrat beschließen zu lassen.

Redaktion beck-aktuell, 30. März 2021 (dpa).