Gutachten: Gesetzentwurf zur Einführung einer "Personenkennziffer" verfassungswidrig

Der neue Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Registermodernisierung ist verfassungswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest ein Rechtsgutachten im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Das Bundesinnenministerium will es mit dem Entwurf ermöglichen, dass die persönliche Steueridentifikationsnummer künftig auch behördenübergreifend als Personenkennziffer genutzt werden kann.

Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen

Der vorliegende Gesetzentwurf sollte aus technischen und rechtlichen Gründen abgelehnt werden, urteilen die Gutachter Christoph Sorge (Universität des Saarlandes), Jörn von Lucke (Zeppelin Universität Friedrichshafen) und Indra Spiecker (Goethe-Universität Frankfurt). "Alleine die Möglichkeiten, die dadurch entstehen, innerhalb von Minuten mit einem handelsüblichen Laptop die Daten von mehr als 83 Millionen Bürgern und Steuerpflichtigen schon jetzt aus 57 Registern verknüpfen und dann mit gezielten Anfragen auswerten zu können, sind nicht mehr überschaubar, geschweige denn vorhersehbar, und können kaum gerechtfertigt werden", stellen die Gutachter fest.

Auch Leutheusser-Schnarrenberger hält Entwurf für nicht haltbar

Die Gutachter schlagen alternative Lösungen zur Registermodernisierung vor, mit denen die Risiken für die Datenverknüpfung und die IT-Sicherheit reduziert werden. Andernfalls bestehe die "große Wahrscheinlichkeit", dass das Gesetz durch das Bundesverfassungsgericht "für nichtig erklärt" wird, so die Gutachter. "Mit dem neuen Gesetzentwurf bewegt sich die Bundesregierung rechtlich auf sehr dünnem Eis", kommentiert Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Naumann-Stiftung und frühere Bundesjustizministerin, den Gesetzentwurf. "Er ist verfassungsrechtlich nicht haltbar und wird vor Gericht wohl keinen Bestand haben", so Leutheusser-Schnarrenberger.

Redaktion beck-aktuell, 7. Dezember 2020.