Grundstück über ehemaligem Bunker: Bundesrepublik muss Gefahren nicht beseitigen

Der Eigentümer eines im Bereich der "Gertrudenberger Höhlen" gelegenen Grundstücks hat keinen Anspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Beseitigung etwaiger Gefahren, denen sein Grundstück aufgrund seiner Lage über den im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker genutzten Höhlen ausgesetzt ist. Das Landgericht Osnabrück schloss insbesondere einen Anspruch aus dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz aus, da ein solcher durch Zeitablauf erloschen wäre.

Eigentümer verlangt Gefahrenbeseitigung

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstückes im Bereich des Gertrudenberges, eines Hügels am Rande der Osnabrücker Innenstadt. Unter dem Hügel liegen künstliche, durch mittelalterlichen Bergbau entstandene Höhlen. Im Zweiten Weltkrieg dienten diese als Luftschutzbunker für bis zu 4.000 Menschen. Anlässlich der Nutzung als Schutzraum wurden in die Höhlen unter anderem Toilettenanlagen und Abmauerungen eingebaut. Der Kläger verlangt von der Bundesrepublik, alle gegenwärtigen oder künftigen Gefahren zu beseitigen, die von dem Höhlensystem für sein Grundstück ausgehen könnten. Er meint, Deutschland sei nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz verpflichtet, alle Gefahren zu beseitigen, die von ehemaligen Luftschutzanlagen des Deutschen Reichs ausgehen. Solche Gefahren bestünden hier in Form einer Instabilität der Höhlen mit der Gefahr von Deckeneinbrüchen. Die Einbauten im Zweiten Weltkrieg hätten diese Gefahr verschärft.

Bundesrepublik weist Ansprüche zurück

Die Bundesrepublik lehnt es ab, die vom Kläger begehrten Verpflichtungen zu übernehmen. Die Ausschlussfristen für Ansprüche nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz seien längst abgelaufen. Der Kläger habe außerdem schon vor Erwerb des Grundstücks Anfang der 2000er Jahre von den Höhlen gewusst. Konkrete Gefahren gingen von den Höhlen aktuell auch gar nicht aus, jedenfalls seien diese nicht auf Einbauten aus der Zeit der Nutzung als Bunker zurückzuführen.

LG hält etwaige Ansprüche für erloschen

Das LG Osnabrück ist im Ergebnis der Argumentation der Bundesrepublik Deutschland gefolgt und wies die Klage ab. Etwaige Ansprüche gegen die Bundesrepublik aus dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz seien durch Zeitablauf erloschen. Das Gesetz sehe eine Ausschlussfrist von einem Jahr für Ansprüche auf Ausgleich kriegsbedingter Beeinträchtigungen vor. Die Frist beginne mit Entstehen des Anspruchs zu laufen. Entstanden sei der Anspruch im vorliegenden Fall in dem Zeitpunkt, in dem die Verpflichtung geendet habe, eventuelle Beeinträchtigungen der Grundstücke auf dem Gertrudenberg durch die Nutzung der darunterliegenden Höhlen als Bunker hinzunehmen. Das wiederum sei hier bereits kurz nach Kriegsende der Fall gewesen.

Widmung der Höhlen als Bunker aufgehoben

Denn zu einem nicht mehr genauer bestimmbaren Zeitpunkt nach Kriegsende, vermutlich bereits Ende der 1940er Jahre, jedenfalls aber deutlich vor 1966, seien alle Eingänge der Höhlen dauerhaft verschlossen worden. Dies sei vermutlich durch die britische Militärregierung erfolgt, um eine Nutzung als Schutzraum auszuschließen, so das LG. Damit sei konkludent die Widmung als Bunker aufgehoben worden. In der damit ausgelösten Jahresfrist nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz seien durch die seinerzeitigen Eigentümer des heutigen Grundstücks des Klägers aber keine Ansprüche an die Bundesrepublik herangetragen worden. Diese seien dadurch unwiderruflich erloschen.

Faktische Entwidmung besteht fort

Dass die Eingänge zu den Höhlen zu einem späteren Zeitpunkt, wohl 1966, wieder geöffnet worden seien, sei unerheblich, meint das LG. Gleiches gelte für die Tatsache, dass die Bundesrepublik spätestens ab den 1970er Jahren die Höhlen regelmäßig kontrolliert und offenkundig als potentiellen Luftschutzraum angesehen habe, weshalb die Widmung als Bunker auch formal bis in die 1990er Jahre fortbestanden habe. All dies ändere nichts an der zwischenzeitlichen faktischen Entwidmung der Anlage als Bunker durch Verschließen der Eingänge.

Kein Anspruch nach Treu und Glauben

Auch der Grundsatz von Treu und Glauben verpflichte die Bundesrepublik nicht, für eventuelle Gefahren durch frühere Einbauten des deutschen Reichs einzustehen. Neue, die Stabilität beeinflussende Einbauten habe die Bundesrepublik ohnehin nicht vorgenommen. Vor dem LG Osnabrück sind noch zwei weitere, ähnlich gelagerte Verfahren im Zusammenhang mit den Gertrudenberger Höhlen anhängig. Diese werden nach Angaben des Gerichts unabhängig von dem nun ergangenen Urteil entschieden.

LG Osnabrück, Urteil vom 17.08.2020 - 4 O 109/19

Redaktion beck-aktuell, 19. August 2020.