Grundsatzurteil des OLG Rostock: Nicht angeschnallte Beifahrer trifft Mithaftung bei Unfall

Nicht angeschnallte Beifahrer haften bei einem Unfall mit. Wie hoch der Anteil des Mitverschuldens ist, muss anhand der einzelnen Unfallumstände festgestellt werden. Es kommt nicht allein darauf an, welche Verletzungen "angeschnallt" nicht eingetreten wären. Auf ein entsprechendes Urteil des Oberlandesgerichts Rostock vom 25.10.2020 (Az.: 5 U 55/17) weist die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.

Nicht angeschnallte Beifahrerin seit Unfall schwerbehindert

Eine 16-jährige Frau habe hinten im Auto gesessen und sei nicht angeschnallt gewesen, teilt der DAV zum Sachverhalt mit. Der 21-jährige Fahrer sei 100 km/h statt der erlaubten 80 km/h gefahren und mit einem Baum kollidiert. Der Fahrer und die Mitfahrerin seien schwer verletzt worden. Der Beifahrer sei noch vor Ort verstorben. Die Frau sei seitdem schwerbehindert und benötige rund um die Uhr Betreuung. Von der Haftpflichtversicherung des Fahrers habe sie ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro erhalten. Sie habe aber mindestens 320.000 Euro sowie eine Schmerzensgeldrente von mindestens 500 Euro monatlich verlangt.

LG weist Klage der Beifahrerin ab

Das Landgericht habe die Klage abgewiesen. Es habe festgestellt, so der DAV, dass die damals 16-Jährige einen wesentlichen Teil der Verletzungen nicht erlitten hätte, wenn sie angeschnallt gewesen wäre.

Mitverschuldensanteil unter Abwägung aller Umstände zu ermitteln

Das OLG sah dies den DAV-Verkehrsrechtsanwälten zufolge differenzierter. Demnach habe die Frau Anspruch auf Schmerzensgeld, eine monatliche Schmerzensgeldrente, Verdienstausfall sowie weiteren Schadenersatz. Allerdings müsse der Mitverschuldensanteil angerechnet werden. Bei der Berechnung reiche es aber nicht aus, nur auf die Verletzungen abzustellen, die ein Anschnallen verhindert hätte, wie das LG angenommen habe. Es müsse vielmehr eine Gesamtbetrachtung der Schadensentstehung und eine Abwägung aller Umstände erfolgen.

Anteil des Unfallverursachers hier bei zwei Dritteln

Im zugrunde liegenden Fall berücksichtigte das OLG auch den Anteil des Unfallverursachers. Er habe die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h um mehr als 25% überschritten und eine Kurve geschnitten. Daher sei sein Anteil mit zwei Dritteln zu berechnen. Die genauen gesundheitlichen Folgen und auch die Verdienstchancen der Frau müssten dann im Einzelfall überprüft werden. Sie hafte zu einem Drittel.

OLG Rostock, Urteil vom 25.10.2019 - 5 U 55/17

Redaktion beck-aktuell, 16. März 2020.

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